Sr. Emmanuela Kohlhaas: "Klosterleben und Weltflucht passen nicht zusammen"
Sr. Emmanuela Kohlhaas, Priorin des Benediktinerklosters Köln, referiert am Ordenstag (23. November 2021) zum Thema "Verborgene Präsenz". (c) Benediktinerinnen Köln
Ordensleben, Weltflucht und Klausur
Weltfremdheit oder gar Weltflucht und Ordensleben passen nicht zusammen. Das betont die Kölner Ordensfrau Sr. Emmanuela Kohlhaas im Interview in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche". Die Priorin des Benediktinerinnenklosters in Köln-Raderthal ist eine der Vortragenden beim "Ordenstag" am 23. November, der coronabedingt online durchgeführt wird. Vorab sprach sie im "Furche"-Interview sehr kritisch über den Pflichtzölibat und wies auch falsch verstandene Vorstellungen bzw. Vorschriften im Blick auf die klösterliche Klausur zurück.
"Vor uns selbst davonlaufen können wir nicht", so Sr. Kohlhaas. Im Kloster, wo Menschen auf engstem Raum intensiv miteinander leben "und versuchen, das aus der Botschaft des Evangeliums zu tun", sei immer alles gegenwärtig, was zum menschlichen Leben gehört. Weltflucht funktioniere nicht, so Kohlhaas: "Jeder kann für sich das Experiment machen und eine Stunde in die Stille gehen: kein Radio, kein Buch, einfach still sitzen. Dann werden die meisten merken, dass das keine Fluchtmöglichkeit ist."
Die Ordensfrau ging auch hart mit einer falsch verstandenen Form von Klausur ins Gericht. In ihrem jüngsten Buch "Ungehorsam" erzählt sie die Geschichte einer Mitschwester, die aufgrund strenger Klausurvorschriften weder vom Tod ihres Vaters erfuhr, noch zum Begräbnis gehen durfte. Sr. Kohlhaas spricht diesbezüglich von einer "lebensfeindliche Klausur". Im Furche-Interview vertiefte sie den Gedanken: "Hinter falsch verstandener Klausur steht eine Ideologie, die noch nicht einmal so furchtbar alt ist." Sie verwies auf entsprechende Richtlinien, die Papst Pius XII. 1950 festgelegt hatte: "Da wird von außen ein Ideal auferlegt, das nichts mit der Lebenswirklichkeit der Nonnen zu tun hat. Aus unseren Chroniken geht hervor, dass sich die Schwestern zum Teil auch dagegen gewehrt haben." Dahinter stecke ein falsches Ideal der Abgeschlossenheit und der Verborgenheit.
"Klausur ist wie eine Art Haut"
Für sie, so Sr. Kohlhaas, sei Klausur stattdessen "etwas ganz Schlichtes, etwas, das jede Familie braucht: ein geschützter Lebensraum für eine Gemeinschaft". Dazu gehöre auch Stille, um intensiv beten und meditieren zu können, und dafür brauche man einen eigenen Raum. Kohlhaas: "Ich habe Klausur für mich als eine Art Haut definiert. Eine Haut ist etwas, was der Organismus braucht, um leben zu können und gleichzeitig ist es das Kontaktorgan. So stelle ich mir eine gesunde Klausur und ein gesundes Verhältnis zwischen Verborgenheit und Präsenz, Innen-und Außenraum vor. Alles andere ist Ideologie."
Keine Freude hat die Ordensfrau auch mit dem Pflichtzölibat der katholischen Priester. "Diese Art zu leben gehört in einen klösterlichen Kontext, in ein Gemeinschaftsleben und ist eine ganz besondere Gabe, das erfordert eine Neigung dafür", so die Ordensfrau. Nachsatz: "Das werden immer nur relativ wenige Menschen sein, die von sich aus so einen Weg suchen." Deshalb halte sie es für unglaublich wichtig, "dass die Kirche einen Zölibat als Ideologie infrage stellt und schon gar einen Zölibat als Machtmittel". Wenn man in die Entstehungsgeschichte des Zölibats schaue, "dann hat das sehr viel damit zu tun, die Priester kontrollieren zu können, dass Erbschaften nicht in der Familie bleiben, dass es keine Dynastien gibt. Das ist eben genauso wie die falsche Form der Klausur ein Mittel der Disziplinierung und der Machtausübung - und das muss weg!"
Viel Nachwuchs im Kloster
Die Priorin des Benediktinerinnenklosters in Köln-Raderthal berichtete von einem vitalen Klosterleben. Die Benediktinerinnen hätten sehr viel Nachwuchs, man sei gerade dabei, zu expandieren. Dabei beschrieb Kohlhaas das "Geheimnis" ihres Klosters so: "Wir wollen eine Stelle sein, wo wir versuchen, die Quelle zu lebendiger Spiritualität offen zu halten. Und wir machen die Erfahrung, dass das ein sehr lebendiges Geben und Nehmen mit unserer Umwelt ist. Und auch, dass wir von vielen Menschen überhaupt gar nicht mehr mit dieser Institution Bischofs- oder Priesterkirche identifiziert werden."
Man sei als Kloster sicher in gewisser Weise eine Sonderwelt, was aber durchaus zum Ordensleben passe. Der Theologe Johann Baptist Metz habe die These aufgestellt "Ordensleben ist Kirchentherapie". Und das habe seine Berechtigung. Aber natürlich gebe es auch in der Ordenslandschaft Neues und Altes, verschiedene Lebensphasen und darunter auch sterbende Klöster. Das sei der normale Gang der Geschichte.
Man sei sich oft nicht im Klaren darüber, "so viele Klöster wie seit dem 19. Jahrhundert gab es noch nie". Davor sei es eine recht überschaubare Zahl gewesen. Durch die großen sozialen Bewegungen seien dann große Gemeinschaften entstanden. Und nun gebe es viele Ordensgemeinschaften, die selber erkennen würden: "Diese Zeit ist vorbei. Wir finden entweder einen neuen Ansatz, oder es wird ganz neue Modelle geben." Sie sei aber jedenfalls sehr zuversichtlich, so Kohlhaas, "dass das Ordensleben bleibt, weil es immer nach Spiritualität suchende Menschen geben wird".
Zur Person
Sr. Emmanuela Kohlhaas, geboren 1961, ist seit 1982 Benediktinerin in Köln und seit 2010 Priorin. Daneben engagiert sich die Musikwissenschaftlerin im Bereich Kirchenmusik und Liturgie.
Buchtipp: Thomas Frings und Emmanuela Kohlhaas: Ungehorsam. Eine Zerreißprobe. Herder-Verlag 2021 Bestellung
Quelle: kathpress
Weiterlesen:
Interview in der Furche, Ausgabe 46, 18. November 2021
[renate magerl]