NS-Raubgut: Stift Göttweig bekam Naturaliensammlung zurück
Sammlung von Conchilien (Weichtierschalen), die im 19. Jahrhundert in den naturkundlichen Sammlungen des niederösterreichischen Benediktinerstiftes Göttweig angelegt worden war und 1941 unrechtmäßig an das Wiener Museum kam. © NHM Wien, A. Schumacher
Das Naturhistorische Museum Wien (NHM) hat am 31. Mai 2021 eine Sammlung von Conchilien (Weichtierschalen) an das niederösterreichische Benediktinerstift Göttweig zurückgegeben. Die Conchilien wurden im 19. Jahrhundert in den naturkundlichen Sammlungen des Stifts angelegt und kamen 1941 unrechtmäßig an das Wiener Museum, wie es in einer Aussendung des Naturhistorischen Museums hieß.
Ein Zeichen setzen
Im Rahmen einer kleinen Gedenkfeier in der Kunst- und Naturaliensammlung des Stiftes Göttweig übergab NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland das Kistchen mit der Conchilien-Sammlung an P. Franz Schuster, Subprior und Stiftsarchivar von Stift Göttweig. "Die Restitution der in der NS-Zeit geraubten Sammlung ist dem Naturhistorischen Museum Wien nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch ein weiterer wichtiger Schritt zur wissenschaftlichen und ethischen Aufarbeitung geschehenen Unrechts", so Vohland. Sie freue sich deshalb sehr, "dass wir mit der heutigen Rückgabe ein Zeichen setzen können".
Wie Bernhard Rameder, Kustos der Göttweiger Sammlungen, betonte, seien in Göttweig seit dem 18. Jahrhundert naturkundliche Sammlungen aufgebaut worden. "Nachdem diese während des Zweiten Weltkrieges großteils untergegangen sind, freut uns die Rückgabe eines Teils der Sammlung ganz besonders", so Rameder.
Die Kiste mit den Conchilien wurde nun an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. © NHM Wien, A. Schumacher
Beim "Klostersturm" enteignet
Das Stift Göttweig war eines der ersten Klöster, die beim sogenannten nationalsozialistischen "Klostersturm" enteignet wurden. Die naturkundlichen Objekte gelangten über die Stadt Krems und das Museum des Reichsgaues Niederdonau in Wien im Jahr 1941 an das Naturhistorische Museum in Wien. Rückstellungsbemühungen nach 1945 des Stiftes blieben erfolglos. Dies sei vermutlich daran gelegen, dass der Aufenthaltsort der Sammlung zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, hieß es in der Aussendung.
Das Stift Göttweig wurde zunächst im Februar 1939 vom NS-Oberbürgermeister der Stadt Krems mit Unterstützung der SA zwangsweise unter NS-Verwaltung gestellt. Die Stadt Krems sah im Vermögen des Stiftes eine Quelle für ihre Finanzierungs- und Repräsentationsangelegenheiten. Die intensiven Bemühungen der Kremser Nationalsozialisten, das Stift zu enteignen, gipfelten in einer Gestapo-Verfügung vom 15. September 1939, wonach das Vermögen des Stiftes zugunsten der Stadt Krems aufgrund der "Verordnung über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Österreich" vom 18. November 1938 eingezogen werden sollte. Göttweig stand somit am Beginn des sogenannten "Klostersturms", bei dem 1940/41 Klöster und Stifte auf dem ehemaligen Gebiet der Republik Österreich mit fingierten Begründungen enteignet wurden.
Seit 1940 waren auf Grundlage der Gestapo-Verfügung Liegenschaften, Gemälde und Mobiliar des Stiftes Göttweig, darunter auch naturkundliche Sammlungen, an verschiedene Institutionen verteilt worden. Im September 1940 erhielt das Naturhistorische Museum in Wien vom Kremser Museum nachweislich 53 Faszikel des Göttweiger Herbars (wissenschaftliche Pflanzensammlung). Und vermutlich im Frühjahr 1941 wurde ebenfalls vom Kremser Museum eine Kiste mit Conchilien dem Wiener Museum übergeben, wie der am Naturhistorischen Museum Wien tätige Forscher Thomas Mayer recherchieren konnte.
Die Pflanzenbelege des Göttweiger Herbars blieben allerdings trotz eingehender Recherche im gesamten Sammlungsbestand und der zugehörigen Dokumentation an der Botanischen Abteilung des Museums nicht auffindbar. Sollte sich dies in Zukunft ändern, "werden sie unverzüglich zurückerstattet", teilte das Naturhistorische Museum mit. Die Kiste mit den Conchilien wurde hingegen gefunden und nun nach 80 Jahren zurückgegeben.
Quelle: kathpress
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[renate magerl]