#gemeinsam weiter am Schultag 2020
Durch die Onlinetagung führten der Leiter des Bereichs Bildung und Ordensschulen, Clemens Paulovics und die Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz, Sr. Christine Rod. Knapp 200 VerantwortungsträgerInnen aus katholischen Bildungseinrichtungen hatten sich zu diesem Webinar-Format zugeschaltet. Der Schultag wurde erstmals auch über Facebook live gestreamt und ist dort auf der Seite der „Ordensschulen Österreichs“ abrufbar.
Möglichkeit zur Teilhabe ebenso wichtig wie Freiheit und Selbstbestimmung
Der erste Vortrag des Tages kam von Anna Hennersperger, Theologin und erste Frau an der Spitze des Seelsorgeamts der Diözese Gurk-Klagenfurt und trug den provokanten Titel „Kirche und Partizipation - Quadratur des Kreises?“
Partizipation sei in modernen demokratisch geprägten Gesellschaften ein wichtiger Grundwert und die Möglichkeit zur Teilhabe sei für viele Menschen ebenso wichtig wie das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung, so Hennersperger. Auch für die Kirche und ihre Zukunft sei Partizipation von ebenso hoher Relevanz und in Prozessen der Synodalität (Weggemeinschaft) gegeben. Zu finden sei diese schon in den Anfängen der Kirchengeschichte.
„Als Strukturprinzip betrachtet, ist Synodalität als eine Grundhaltung bei Beratungen sowie in Entscheidungsfindungsprozessen zu betrachten, durch die die Kirche als die erfahrbar und erlebbar wird, die sie ist: eine Gemeinschaft von Menschen, die nach Antworten auf ihre Lebensfragen suchen und angesichts von Sünde und Tod auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen“, betonte die Referentin.
Auch Papst Franziskus hätte dies 2015 bei der Bischofssynode unterstrichen, indem er betonte, dass eine synodale Kirche eine Kirche des Zuhörens in dem Bewusstsein sei, dass Zuhören mehr sei als „Hören“. Es sei ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen habe.
Wenig Mitbestimmung in Kirche möglich. Mitwirkung unmöglich
Als Stufen der Partizipation schlüsselt Hennersperger zuerst die Information, dann die Mitsprache, die Mitbestimmung und als letztes die Mitwirkung auf. Zu diesem Punkt fand dann auch eine interaktive Umfrage unter allen digital zugeschalteten TagungsteilnehmerInnen statt.
Gefragt wurde, wo aktuell in der Kirche Partizipationsmöglichkeiten als deutlich wahrnehmbar vernommen würden: Mit 34% wurde die Antwortmöglichkeit „Ich kann in bestimmten Fragen mitwirken“ am öftesten angeklickt. Fast ein Drittel meinte, sie würden „informiert“, „Ich kann beraten und mitsprechen“ wählten 14%, nur 2% hingegen meinten, sie hätten „volle Entscheidungskompetenz“.
Auch Hennersperger selbst stellte die Hypothese auf, dass Information und Mitsprache innerkirchlich gelebt würden, dass es beim Punkt Mitbestimmung aber schon schwierig würde, und die Mitwirkung in ganz vielen Fällen nicht möglich sei. Als Resümee zum Ist-Stand zieht sie daher: Synodalität ohne eine stärkere Partizipation im Sinne eines Mitsprache- und Entscheidungsrechts (in festzulegenden Bereichen) wird kirchliches Engagement absehbar weiter ausdünnen.
Es gelte also, den Weg vom synodalen Lippenbekenntnis hin zu synodalen Strukturen im grundlegenden Verständnis zu beschreiten.
Partizipation im Raum der Kirche ist ein Vorgang, der stagniert
Spannend war auch die nächste Umfrage, bei der die Teilnehmerinnen den Satz, „Partizipation im Raum der Kirche ist ein Vorgang…“ beenden konnten. 68% beendeten ihn mit „der stagniert“, 19% entschieden sich für „der sich in positiver Entwicklung befindet“ und 13% für „der wahrnehmbar im Rückgang ist“.
Eine neue Kultur des Miteinanders für Schulen
Tamara Ehs ist Politikwissenschafterin und Demokratieberaterin für Städte und Gemeinden und referierte im Anschluss zum Thema „Partizipation und Selbstverantwortung- Wie kann eine neue Kultur des Miteinanders im Großen (Staat) wie im Kleinen (Schule) gelingen?“
Für Ehs sei Demokratie eine Zivilisationstechnik wie Lesen oder Schreiben. Demokratisch zu handeln, also in einer Gesellschaft gut und gleichberechtigt, solidarisch miteinander umzugehen, sei uns Menschen nicht in die Wiege gelegt und wir müssten es genauso lernen wie das Lesen oder das Schreiben. Schon allein das zeige den Auftrag an unsere Schulen, Demokratiebildung zu forcieren!
Gemeinsam mit KollegInnen habe die Politikwissenschafterin deshalb das „Demokratie-Repaircafe“ gegründet, ein Workshopformat für Schüler*Innen, um gemeinsam zu lernen, wie man Politik gestaltet und um zu erarbeiten, wie man sich an Demokratie, über einen Wahltag hinaus, beteiligen könne und was Werte wie Solidarität, Freiheit und „Verantwortung füreinander“ bedeuten. Demokratie sei mehr als Wählen, sie sei nie abgeschlossen.
Ehs beschäftigt sich in Ihrer Forschung mit Demokratie als Prozess und für demokratische Wege in Entscheidungsfindungen. Dafür bedürfe es eines Kulturwandels, der sich erst in den letzten Jahrzehnten in Österreich vollzogen habe. Es gehe um den Weg vom Gegeneinander (Intern beraten- Intern beschließen- Verkünden und dann den Beschluss verteidigen zu müssen) hin zum Miteinander (Kooperativ sammeln- gemeinsam beraten- entscheiden und dann gemeinsam umzusetzen) Demokratie bedeute auch solidarisch für die Interessen eines oder einer Fremden einzutreten und seine oder ihre Lebensumstände in die eigene politische Entscheidung miteinzubeziehen.
Verwendete Partizipationsinstrumente im Homeschoolingbetrieb
Folgend an das Referat von Ehs wurde wieder in einer Umfrage ermittelt, wie viele aller digital anwesenden DirektorInnen das Prinzip der Partizipation im Homeschooling-Betrieb verwenden, beispielsweise mithilfe von Anwendungen wie Google Classroom oder anderen Umfrageinstrumenten. Die Hälfte gab an, es seien bei ihnen derlei Instrumente noch nicht zur Anwendung gebracht worden, 20% aller Befragten gaben an, sie sehr oft zu verwenden, 30% würden gerade damit starten. „Ein guter Anfang“, so Ehs abschließend.
It’s about them, don’t do it without them
Rebekka Dober ist Co-Founderin und CEO des Social Startups “YEP-Stimme der Jugend”. In Schulen, Vereinen und Unternehmen veranstaltet Dober seit zwei Jahren mit YEP (Youth Empowerment & Participation) partizipative Prozesse, um die Perspektiven von jungen Menschen einzubringen. Ihr größtes Anliegen und Motto lautet: „It’s about them, don’t do it without them!” Man sollte nicht nur über junge Menschen reden, sondern mit ihnen, denn Schüler*Innen seien selbst sind die größten Expertinnen zum Thema Schule, da sie sie täglich erleben. Dasselbe gelte für die Themen Zukunft und Nachhaltigkeit, denn es sei ihre Zukunft und ihre künftige Welt.
Genau aus diesem Grund sei es Dobers Ziel, Mitsprache, Mitbestimmung und Mitgestaltung in den Alltag von ALLEN jungen Menschen zu integrieren. Das begründe auch ihre Definition von Partizipation. Besonders wichtig sei die Auseinandersetzung mit dem Begriff „ALLEN“ in ihrer Zielsetzung. Sehr oft würde vergessen, dass die Foren und Möglichkeiten nicht für alle zugänglich seien aufgrund unterschiedlichster Ausschlusskriterien. Aber auch das Miteinander der Generationen statt einem Gegeneinander sei ihr ein wichtiges Anliegen.
YEP sieht sich als Jugendorganisation, in der auch alles VON Jugendlichen geplant und organisiert wird. Diese bieten Empowerment Workshops, Changemaker Projektwochen, Dialog und Austausch, um Jugendliche aus unterschiedlichen Bubbles ins Gespräch miteinander zu bringen. Mit dem Format „Stimme der Jugend“ wolle man Jugendlichen beibringen, wie sie in Diskussionen ihre eigene Stimme einbringen und sich selbst auch Gehör verschaffen können. YEPs Mission laute „Encourage, empower, enable young people to lead (social) change.”
“Wir glauben einfach daran, dass, wenn man junge Menschen ermutigt, dann können sie soziale Prozesse auch wirklich selbst anleiten“, ist sich die Partizipationsexpertin sicher. Dafür müsse man Jugendliche aber eben auch partizipieren lassen.
Besonders im schulischen Umfeld sei das besonders wichtig und Dober zählte verschiedene Beispiele auf: Angebote von Partizipationsmöglichkeiten in der Unterrichtsgestaltung, in den Schulregeln, in der Gestaltung des Schulgebäudes, der Schulkultur, von Schulprojekten, der Strategieentwicklung oder Problembehandlung. Austragungsorte dieser Partizipationsmöglichkeiten könnten Online-Plattformen, oder Social Media Tools, genauso wie das Schwarze Brett oder Wahlurnen im Schulgebäude sein.
Dober ermutige alle DirektorInnen Partizipationsmöglichkeiten für SchülerInnen zu schaffen, auch mit dem Wissen im Hinterkopf, dass nicht alles funktionieren werde, aber Fehlerkultur schaffe Mut, was sie mit dem Begriff „Fail forward“ unterstrich.
Unter hello@yep-austria.org können Schulen kostenlos, gefördert durch die Innovationsstiftung für Bildung, eine Kooperation mit YEP beantragen, bei der partizipative Formate für Schulen aufgesetzt werden, um die Krise aufzuarbeiten und über eine partizipative Bedarfsanalyse festzustellen, wo standortspezifisch angesetzt werden könne. Viele Informationen rund um das Thema Partizipation findet sich auch unter www.yep-austria.org.
Partizipation nicht als Hilfsmittel sondern als Grundwert von Ordensschulen
Nach einer Pause diskutierten dann die Referentinnen unter Moderation von Sr. Christine Rod mit Thomas Maximiuk (Präsident des Hauptverbandes Katholischer Elternvereine - HVKEV), Georg Klammer (Direktor am Ursulinen-Gymnasium in Innsbruck und Leiter der Arbeitsgemeinschaft der DirektorInnen an Ordensschulen) und Lea Paulovics (Absolventin einer Ordens-BAfEP, Kindergartenpädagogin). Letztere ist selbst Teil des Teams von YEP und gesellschaftlich und politisch engagierte junge Frau, die sich sehr für das Thema Partizipation einsetzt.
Partizipation und Soldarität, da waren sich alle DiskutantInnen einig, sind richtungsweisen für die Zukunft von Bildung (c) schauer-burkart
In ihrem Eröffnungsstatement wies sie darauf hin, dass ihre Entwicklung in Sachen Jugendpartizipation und ihr Engagement außerhalb der Schule entstanden ist (Fridays For Future und YEP) und ein Stück weit erst durch sie dann auf ihre MitschülerInnen übergesprungen sei.
Alle DiskussionsteilnehmerInnen stimmten überein, dass Weggemeinschaft, Partizipation und Solidarität richtungsweisend für die Zukunft von Bildung seien. Maximiuk brachte es auf den Punkt: Partizipation dürfe nicht als Hilfsmittel gesehen werden, sondern müsse zu einem wesentlichen Wert an unseren Katholischen Privatschulen werden.
St. GeorgsBildungsPreis 2020
Der diesjährige St. Georgs Preis des HVKEV ging in der Kategorie „SchülerInnen“ an das ORG der Franziskanerinnen Vöcklabruck an die Schüler Moritz Reisenberger und Tobias Takacs. Sie gründeten das Schulradio der Franziskusschulen Vöcklabruck, das am 14. Jänner 2019 auf Sendung ging, 24 Stunden durchgängig sendet und weltweit online empfangbar ist. https://radio-franziskusschulen.jimdofree.com/
In der Kategorie „LehrerInnen“ wurde das BAfEP De La Salle Strebersdorf ausgezeichnet. Preisträger ist die gesamte Lehrerschaft, die mit dem ersten Tag des Lockdowns im März beginnend ein umfangreiches E-Learning Angebot kreierte und Onlineunterricht anbot.
Der Preisträger in der Kategorie „Sonderpreis“ war das Privatgymnasium der Herz-Jesu-Missionare mit Walter Haslinger. Er erstellte ein pädagogisch wertvolles Tagesheim- Angebot.
In der Kategorie „Nachhaltigkeit“ wurde das Schulzentrum St. Ursula prämiert. Die Auszeichnung würdigt unterschiedlichste Einzelprojekte, die zum Thema Nachhaltigkeit umgesetzt wurden und werden.
In der Kategorie „Eltern“ wurden heuer ALLE Eltern – und speziell die Mütter – ausgezeichnet. Sie wurden heuer in den Lockdowns und darüber hinaus alle zu HeldInnen. Der Preis dafür wurde an die Aktion #ordentlichlernen gespendet, die damit SchülerInnen aus finanzschwachen Haushalten mit Laptops versorgt.
#Ordentlich Lernen und sorgen-frei Hotline
Clemens Paulovics wies daraufhin, dass die gerade eben vom HVKEV unterstützte, großangelegte Sammel- und Spendenaktion von Laptops, die während des ersten Lockdowns gestartet wurde, nun wieder anläuft.
Unter www.ordensgemeinschaften/ordentlichlernen sind alle Informationen zu finden. Auch die „sorgen-frei“ Seelsorge Hotline für alle Mitarbeiter*innen an katholischen Bildungseinrichtungen sei täglich unter 0720 221 221 oder anonym via Chat unter https://sorgenfrei.ordensgemeinschaften.at/ zu erreichen.
„Die persönliche Begegnung, das persönliche Gespräch, das fehlt schon sehr, die technischen Hürden sorgen immer wieder für Spannung – man freut sich schon immens auf Präsenzveranstaltungen. Aber wir durften erfahren, dass auch mit einem digitalen Format ein wichtiges Thema gut transportiert und diskutiert werden kann. Das macht Mut.“, so Paulovics in einer Nachbetrachtung zum Schultag.
[magdalena schauer-burkart]