Jede/r kann etwas gegen Menschenhandel tun
Aktionismus im Kampf gegen Menschenhandel. (c) Manu Nitsch
Zu Beginn des Wortgottesdienstes begrüßte der „Hausherr“ der Michaelerkirche P. Erhard Rauch, ehemaliger Generalsekretär der Superiorenkonferenz, die rund 100 erschienen Gäste und bat anschließend Weihbischof Franz Scharl, auf das Thema einzustimmen. Scharl gedachte in seiner Rede der aus dem Sudan stammenden Heiligen Josephine Bakhita (* 1869 † 1947), deren Todes- bzw. Gedenktag der 8. Februar ist und die in ihrer Jugend selbst im Alter von sechs Jahren von arabischen Sklavenjägern verschleppt und mehrmals auf Sklavenmärkten verkauft wurde.
"Hausherr" P. Erhard Rauch begrüßte rund 100 interessierte Gäste in der Michaelerkirche. (c) Manu Nitsch
Josephine Bakita: Sklavin, Ordensfrau und Heilige
Während ihrer Gefangenschaft musste Bakhita oft grausamste Brutalität erleiden. Sie wurde erniedrigt, geschlagen und gebrandmarkt. Mit 16 wurde sie in Italien Kindermädchen der Tochter eines reichen Kaufmanns, der beide aufgrund eines längeren Auslandsaufenthaltes in Obhut der Canossianerinnen in Venedig gab.
Nach seiner Rückkehr wollte er Josephine wieder zurückholen, aber diese weigerte sich. Mit Hilfe der Ordensfrauen ging sie vor Gericht, und diese befand, dass das italienische Gesetz keine Sklaverei anerkannte und Josefine gesetzlich nie Sklavin gewesen sei. Sie entschied sich, bei den Canossianerinnen zu bleiben. Am 1. Oktober 2000 wurde Josephine Bakhita heiliggesprochen. Sie gilt als Schutzpatronin der katholischen Kirche im Sudan.
Sklaverei ist ein Milliardengeschäft
„Sklaverei ist ein System, das sich noch nicht geändert hat und nach wie vor existiert“, gab Bischof Scharl in seiner Rede zu bedenken. Er erinnerte daran, dass es weltweit vermutlich rund 30 Millionen Menschen gibt, die in Sklaverei leben; zwei Drittel davon sind Frauen und Kinder. Sie sind Opfer in der Form von Zwangsarbeit, Organhandel und Prostitution. Oder werden zu kriminellen Handlungen gezwungen. Für skrupellose Organisationen ist die moderne Sklaverei ein Milliardengeschäft.
Weihbischof Franz Scharl: "Sklaverei ist ein Milliardengeschäft." (c) Manu Nitsch
Doch „Menschenhandel passiert nicht fern von uns, sondern ganz nahe“, betonte Bischof Scharl weiter, „und Wien ist davon nicht ausgenommen.“ Die wenigsten Menschen denken daran, dass zum Beispiel billige Kleidung oft unter menschenunwürdigsten Bedingungen hergestellt wurde. Mit dem Kauf dieser Billigware unterstütze man die Sklaverei und Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Drei Tatsachenberichte
Wie schrecklich Opfer des Menschenhandels leiden müssen, machten stellvertretend drei Tatsachenberichte deutlich, die die Geschichte von drei Opfern von Menschenhandel dokumentieren. Ehe die Vortragenden diese Berichte vorlasen, zogen sie anschaulich schwere Ketten hinter sich nach, um sie dann vorne am Altar mit einem dumpfen Knall zu Boden fallen zu lassen. Es sind schockierende Erlebnisse von zwei Frauen und einem Mann, die hier vorgetragen werden, und eine dieser Geschichten handelt auch in Österreich.
Ketten als Symbol der Unfreiheit und der Ausbeutung. (c) Manu Nitsch
Dennoch werden auch Lichtblicke präsentiert: Allen drei Opfern konnten von Hilfsorganisationen aus ihrer scheinbar aussichtslosen Lage befreit werden und leben heute in Sicherheit. Das Fazit: Jede/r einzelne von uns kann etwas gegen Menschenhandel tun – und wenn es nur das ist, dass man die Augen vor solchen Situationen nicht verschließt und bei Verdachtsfall den Behörden meldet.
Es gibt Lichtblicke. (c) Manu Nitsch
MEN VIA: Auch Männer sind vom Menschenhandel betroffen
Stand in den letzten Jahren der Menschenhandel und der Missbrauch von Frauen im Mittelpunkt der Veranstaltung, wurde diesmal der Fokus auf die Ausbeutung von Männern gesetzt. Salvatorianer-Provinzial P. Josef Wonisch und Salvatorianerinnen-Oberin Sr. Patricia Erber luden die interessierten Gäste anschließend zu einem Infoabend in den Kapitelsaal des Salvatorianer-Klosters St. Michael. Der Infoabend startete um 19.00 Uhr mit einem Vortrag von Manfred Buchner, klinischer und Gesundheitspsychologe von der Opferschutzeinrichtung "MEN VIA" für männliche Betroffene von Menschenhandel.
Manfred Buchner von MEN VIA
Ausbeutung der Arbeitskraft
Männer sind in unterschiedlichen Sektoren von Menschenhandel betroffen und sind mit Gewalt, Entzug ihrer Dokumente oder ihrer Freiheit und mit Drohungen konfrontiert. In erster Linie werden sie als Arbeitskräfte ausgebeutet, vor allem im Baugewerbe, in der Gastronomie oder als Erntehelfer in der Landwirtschaft. Manfred Bucher: „Überlange Arbeitszeiten, katastrophale Unterkünfte oder gesundheitsgefährdende Tätigkeiten gehören zum Alltag.“ Sie werden sehr schlecht oder gar nicht bezahlt und so in Abhängigkeit gehalten.
Ein großes Problem sei auch, dass die Arbeiter werde sozial- noch krankenversichert seien. „Wir hatten einen Fall, wo sich ein Erntehelfer bei der Arbeit einen Fuß brach. einem Bauarbeiter ein Ziegelstein auf den Fuß gefallen war“, erinnerte sich der MEN VIA-Sprecher. „Er wurde mit der Schubkarre bis zur nächsten Busstation gebracht, man drückte ihm ein paar Geldscheine in die Hand, und er musste selbst ins Spital fahren.“
Doch Männer werden nicht nur als billige oder kostenlose „Hackler“ missbraucht, sondern auch in der Bettelei ausgebeutet und zu kriminellen Handlungen oder zur Prostitution gezwungen – „und da kann es schon mal passieren, dass man, wenn man nicht spurt, kopfüber aus dem sechsten Stock hängt“, berichtet Manfred Buchner.
Wiedergutmachung und Entschädigung
In den meisten Fällen konnte MEN VIA, das vom Ministerium für Inneres und vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und KonsumentInnenschutz finanziert wird, helfen. 2019 konnte das Infozentrum rund 65 Männer unterstützen, indem sie ihnen psychosoziale und juristische Beistand leisteten und letztendlich dafür sorgten, dass sie Wiedergutmachung und Entschädigung erhielten.
UNDOK: Anlaufstelle für gewerkschaftliche Unterstützung
Philip Taucher stellte den Verein „UNDOK - Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung von UNDOKumentiert Arbeitender“ vor. Die UNDOK-Anlaufstelle ist eine Initiative von mehreren Fachgewerkschaften, der Arbeiterkammer Wien und von NGOs aus dem asylrechtlichen Bereich und bietet gewerkschaftlichen Unterstützung bzw. Beratung und Unterstützung bei der Durchsetzung arbeits- und sozialrechtlicher Ansprüche.
Philip Taucher vpon UNDOK. (c) Manu Nitsch
Sozialversicherungsgesetze gelten für alle
Gerade ArbeitnehmerInnen mit unsicherem Aufenthaltsstatus sind oft von extremer Ausbeutung betroffen. Arbeitgeber nutzen ihre missliche Situation häufig aus; Lohnbetrug, übermäßige Arbeitszeiten und sogar körperliche Misshandlungen sind an der Tagesordnung. Dazu kommen oft bewusste Falschmeldungen, die die Opfer von Arbeitsausbeutung in Abhängigkeit halten sollen. Aber: „Wenn ich Ihnen heute eine Botschaft mitgeben möchte, so lautet diese: Entgegen aller Fehlinformationen gelten Sozialversicherungsgesetze, Arbeitsrecht und kollektivvertragliche Mindeststandards für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch für solche, die ohne Aufenthalts- und/oder Arbeitspapiere arbeiten müssen“, stellte Philip Taucher klar. Die Schwierigkeit sei, diese Rechte durchzusetzen.
Anonyme Beratung
Seit März 2014 kann man bei UNDOK kostenlose und anonyme Beratung in mehreren Sprachen erhalten. Seit Eröffnung haben rund 700 ArbeitnehmerInnen ohne freien Arbeitsmarktzugang Kontakt mit der UNDOK-Anlaufstelle aufgenommen.
"Wir hatten einen Fall, wo einem Bauarbeiter ein Ziegelstein auf den Fuß gefallen war“, erinnerte sich der UNDOK-Sprecher. „Der Vorarbeiter schickte ihn dann ins Spital, wo die Zehen amputiert werden mussten. Aber der Mann war nie von seinem Arbeitgeber bei der Krankenversicherung angemeldet worden bzw. wurde niemals offiziell angestellt. Als dann die Riesenrechnung über 40.000 Euro kam, war das natürlich ein Schock. Inzwischen ist seine Firma auch in Konkurs gegangen.“ Das sei der Auftrag, den die UNDOK hat: Personen, die in solche Situationen kommen, zu unterstützen. Parallel bietet die UNDOK-Anlaufstelle auch Workshops für undokumentiert Arbeitende. Denn „das Wissen über die eigenen Rechte ist die wichtigste Voraussetzung, um sich gegen Ausbeutung zur Wehr setzen zu können“, so Philipp Taucher.
V.l.n.r.: Weihbischof Franz Scharl, Philip Taucher (UNDOK), Manfred Buchner (MEN VIA), Sr. Anna Mayrhofer (Leiterin SOLWODI Österreich), Oberin Sr. Patricia Erber (Salvatorianerinnen) und Provinzial P. Josef Wonisch (Salvatorianer). (c) Manu Nitsch
Der Infoabend war eine Aktion der Salvatorianer, der Salvatorianerinnen und SOLWODI Österreich mit u.a. Unterstützung der Österreichischen Ordenskonferenz.
[rsonnleitner]