Tag der Gesundheit: Widerstand gegen Menschlichkeitsfresser
Der letzte Tag der Herbsttagungen der Ordensgemeinschaften Österreich war am 28. November der sogenannte "Tag der Gesundheit" (c) Magdalena Schauer
Dr. Michael Heinisch, bisheriger Sprecher der ARGE Ordensspitäler referierte über die Entwicklungen der letzten zwei vergangenen Jahre, deren Abschluss die Präsentation der Wertschöpfungsstudie im Oktober 2019 war. Adolf Itzinger übernimmt die Agenden als Sprecher der österreichischen Ordensspitäler.
Dr. Heinisch war zwei Jahre lang Sprecher der ARGE der Ordensspitäler Österreichs (c) magdalena schauer
Auf die Frage, was ihn in dieser Funktion überrascht habe, antwortete Michael Heinisch, Leiter der Vinzenz Gruppe, dass es das schwierigste war den „Motor wieder zu starten“. Viele der Träger von Ordensspitäler haben gespürt, dass bei aller Eigenständigkeit ein gemeinsamer Auftritt in der Öffentlichkeit notwendig sei. Habe man erst als Team eine Flughöhe erreicht, laufe das dann aber super. Adolf Inzinger, Gesamtleiter der Ordensprovinz der Barmherzigen Brüder, freut sich auf die gemeinsame Arbeit mit den 23 österreichischen Ordensspitälern als ihr neuer Sprecher. Die Wertschöpfungsstudie sei ein nachhaltiger Gewinn gewesen. Es werde darum gehen in Zukunft auch andere Leistungen, die vielleicht nicht monetär einzuschätzen sind, aufzuzeigen. Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Ordensspitäler sieht Michael Heinisch in der Findung einer gemeinsamen Strategie, der Nutzung von Synergien und natürlich in der Emotionalität. „Es wirkt sich entlastend aus, wenn man sich auch mal unter seinesgleichen ausjammern kann.“
Abt em. Christian Haidinger begrüßte im Karl Rahner Saal des Kardinal König Hauses die TeilnehmerInnen. (c) Magdalena Schauer
Die Emokratie
Politikberater Thomas Hofer titelte seinen Vortrag am Vormittag des Tages der Gesundheit mit: „Die Emokratie“. Sachthemen würden zunehmend bis fast ausschließlich über Emotionen behandelt, sagte Hofer. Aber Emotionalisierung kann auch ein Erfolgsfaktor sein, wie es die vergangene Nationalratswahl zeigte. Hofer sieht im Bereich Gesundheit ähnliche Chancen der Emotionalisierung wie beim Thema Klima und dahingehend auch die Ordensspitäler darin gefordert.
Politikberater Thomas Hofer analysierte die vergangene Nationalratswahl. (c) Magdalena Schauer
Erfahrungsausstausch
Das Ordensklinikum Linz, das Kardinal Schwarzenberg Klinikum in Schwarzach, das Krankenhaus St. Vinzenz in Zams und das Ordenskrankenhaus Graz-Mitte berichtete über die derzeitigen Entwicklungen ihrer Häuser. Festzustellen ist, dass Kooperationen, ob durch politische Entscheidungen verordnet oder selbst gewählte weiterhin im Wachsen sind.
Menschlich handeln
Der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner referierte am Nachmittag zum Thema: „Als Christ*in menschlich handeln“. Ordensspitäler seien ein „bodenständiger Ort, wo schon auch ein wenig Himmel ist“, so Zulehner, „wo sie Kirche sind, ob sie wollen oder nicht.“ Denn der Himmel sei dort, wo Menschlichkeit aufblühe. Gott werde nämlich nicht zufällig Mensch, er suche bewusst die Menschlichkeit.
Zulehner kritisierte Menschlichkeit als „Unique Selling Point“ ausweisen zu wollen, „denn genauso wird das AKH-Wien für sich die Menschlichkeit in Anspruch nehmen wollen“. Man müsse aufpassen, wo wir den Unterschied machen.
Ethik des dynamischen Kompromisses
Ein Unterschied sei, wie sehr man als Ordensspital auch Widerstand gegen „Menschlichkeitsfresser“ leiste. Menschlichkeitsfresser sind einerseits die wachsende Ökonomisierung und das „heillose Gemenge von IT und Technik“. Ein Primar sehe mehr von einem Computer als seine Patienten, behauptete Zulehner. Das Zusammenspiel zwischen all diesen Faktoren bedränge unsere Vorstellung eines menschlichen Krankenhauses, so der emeritierte Universitätsprofessor. „Sie müssen ja auch immer Kompromisse schließen“, keiner könne daher eine saubere Weste haben. Zulehner schlägt daher eine „Ethik des dynamischen Kompromisses“ vor. Jeder habe ein Recht darauf, „Fragment“ zu bleiben, wie wohl man dabei nie stehen bleiben dürfe.
Alfred Inzinger ist neuer Sprecher der ARGE Ordensspitäler Österreichs. (c) Magdalena Schauer
Urwünsche achten
„Menschliches Leben ist immer Bezogenheit“, führte Zulehner aus. Gott sei zuerst Beziehung, denn ohne Beziehung gäbe es keine Liebe. Das Konzept der Urwünsche kenne drei Dimensionen: „Name, Heimat und Mächtigkeit in dem Sinne, seine eigene Geschichte schreiben zu können. In einem Krankenhaus geschehe leicht, dass statt dem Namen, der Fall gesehen werde, statt der Mächtigkeit des Mitwirkens bei Patienten oft Ratlosigkeit herrsche und sich niemand im Krankenhaus beheimatet fühle. Die Urwünsche (Name/Heimat/Mächtigkeit) seien mindestens so wichtig wie eine medizinische Behandlung, behauptete Zulehner. Er forderte eine „Kultur der Anerkennung, eine Kultur der Beheimatung und eine Kultur der Beteiligung.“ „Wenn ich Ihnen was mitgeben kann, schauen Sie sich diese Aspekte der humanen Organisationskultur an“, so Zulehner.
Urwünsche und evangelische Räte
Besonders die evangelischen Räte und deren Nachfolge als Gelübde der Orden speise das Konzept der Urwünsche. Keuschheit bedeute so die Freiheit an Beziehungsfähigkeit, die Kultur der Besitzlosigkeit mache echte Solidarität möglich.
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[mgsellmann]