Schluss mit Menschenhandel
V. l.: Helga Prühlinger, Gaspard Nyungura (beide Missio OÖ), P. Hans Eidenberger SM (Bildungshaus Greisinghof), Autorin Isabella Maria Kern, Sr. Maria Schlackl SDS, Renate Bauinger (Evangelisches Bildungswerk OÖ) und Heidemaria Hofer (ehemalige Mitarbeiterin bei Welthaus). © Martin Eder
Die Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde in OÖ“ bot unter dem Motto "schutzlos–wehrlos–versklavt. Menschenhandel: MACHT SCHLUSS" mit Aktion, Information, einer Filmvorführung und Vorträgen auf das brisante Thema aufmerksam.
Der Umsatz mit der Ware Mensch wird auf jährlich 99 Mrd. US-Dollar geschätzt. Pro Jahr werden laut Informationen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) rund 2,4 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel. Sexuelle Ausbeutung ist dabei das Hauptmotiv, gefolgt von Zwangsarbeit. Seit sechs Jahren engagiert sich Schwester Maria Schlackl vom Orden der Salvatorianerinnen aktiv gegen Menschenhandel in Oberösterreich. Mit ihr arbeiten in der Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde in OÖ“ Renate Bauinger (Evangelisches Bildungswerk OÖ), P. Hans Eidenberger SM (Bildungshaus Greisinghof), Heidemaria Hofer (ehemalige Mitarbeiterin bei Welthaus), Isabella Maria Kern (Autorin) sowie Helga Prühlinger und Gaspard Nyungura (beide Missio OÖ). Die Initiative fokussiert sich vor allem auf jene Frauen und Mädchen, die durch Menschenhandel und unter Zwang in ausbeuterischen Abhängigkeitsverhältnissen in der Prostitution in Oberösterreich arbeiten müssen.
„Dass Frauen in einer Gesellschaft des Überflusses aus finanzieller Not heraus ihren Körper verkaufen müssen, körperlicher und seelischer Gewalt ausgesetzt sind, zur Handelsware degradiert werden – dem kann und will ich nicht tatenlos zusehen“, so Renate Bauinger über die Beweggründe für ihr Engagement. Helga Prühlinger ergänzt: „Als Mitarbeiterin von Missio OÖ und weil es meine persönliche Überzeugung ist, engagiere ich mich in der Initiative gegen Menschenhandel, denn es ist unser Auftrag als ChristInnen, nicht wegzuschauen, Unrecht nicht stehen zu lassen und uns für die Unterdrückten einzusetzen. Was wir hier und jetzt tun können: die Gesellschaft über dieses maßlose Unrecht, das uns in unserer globalen Welt umgibt, aufzuklären und die Betroffenen im Gebet vor Gott zu bringen.“ Gaspard Nyungura: „Es ist höchste Zeit, dass wir etwas tun – wir können nicht mehr länger unsere Augen und Ohren verschließen. Das Thema Menschenhandel betrifft uns alle, direkt oder indirekt.“ Heidemaria Hofer zu ihrem Engagement in der Initiative: „Ich möchte Themen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden – wie eben auch der Handel mit Menschen – zur Sprache bringen und damit sichtbar und spürbar machen. Aus Solidarität mit Frauen in Not. Und weil mich die Kraft, der Mut und die Spiritualität, mit der sich Sr. Maria Schlackl engagiert, sehr berührt.“
Einladung, am Netz der Menschenwürde mitzuknüpfen. © Martin Eder
Bewusstseinsbildung mitten in Linz
Jährlich am 18. Oktober, dem Europäischen Tag gegen Menschenhandel, machen Schwester Maria Schlackl und ihr Team bewusst, dass diese moderne Form der Sklaverei in enormem Ausmaß existiert und Ausbeutung von Menschen – kaum bemerkt von der Öffentlichkeit – ein Milliardengeschäft darstellt. Heuer lud die Initiative zum 6. Mal unter dem Motto „Schutzlos – wehrlos – versklavt | Menschenhandel : macht Schluss“ in Linz dazu ein, sich mit dem Tatbestand Menschenhandel im 21. Jahrhundert, dessen vielfachen Verstrickungen und Auswirkungen auseinanderzusetzen. Bei insgesamt sechs interaktiven Stationen auf der Linzer Landstraße wurden PassantInnen von 14.00 bis 19.30 Uhr durch kreative Impulse angesprochen und mit dem Thema konfrontiert. „Die Begegnungen waren unterschiedlich intensiv: Während die einen nur einen kurzen Blick riskierten und weitereilten, hielten andere kurz an: Menschenhandel!? Unvorstellbar – oder einfach keine Zeit dafür. Zahlreiche Menschen ließen sich aber auf ein Gespräch ein, wurden neugierig, fragten nach, knüpften mit am Netzwerk für Menschenwürde, versuchten, zu heiklen Fragen Position zu beziehen, oder entzündeten in der Ursulinenkirche ein Licht für den würdevollen Umgang mit Menschen“, berichtet Schwester Maria Schlackl von den Reaktionen der PassantInnen.
Tote Mädchen machen keinen Sex
Andere lauschten betroffen Isabella M. Kern, die Auszüge aus ihrem Roman „Li – Tote Mädchen machen keinen Sex“ vorlas. Die Betroffene dieser Erzählung ist ein vietnamesisches Mädchen. Auf dem Martin-Luther-Platz gab es Auskunft über TATsache, Ausmaß und Ursachen von Menschenhandel, und der Verein SOLWODI (= Solidarity with women in distress – Solidarität mit Frauen in Not), der sich gegen Frauenhandel engagiert, stellte sich vor. Dessen Obfrau Sr. Patricia Erber SDS und die Leiterin von SOLWODI Österreich, Sr. Anna Mayrhofer FMM aus Wien, waren anwesend und standen für Gespräche zur Verfügung.
Wer will, kann etwas dagegen tun!
Faire Jobs statt Menschenhandel und Mode gegen Menschenhandel wurden auf dem Linzer Taubenmarkt thematisiert. Der Tenor dort: Wer will, kann etwas dagegen tun! Ein weiterer Schwerpunkt dort: das Ansprechen von Männern und das Bewusstmachen, was diese Thematik mit ihnen zu tun hat. P. Hans Eidenberger vom Orden der Marianisten ist es besonders wichtig, Männer für das Thema zu sensibilisieren: „Mir fällt auf, dass jener Bereich von Menschenhandel, der zum Zweck der sexuellen Ausbeutung geschieht, sehr häufig nur als ‚Frauen-Thema‘ behandelt wird und so die Männer völlig unsichtbar bleiben – so als hätten sie mit dem Bereich ‚Prostitution‘ gar nichts zu tun. Gerade als Mann ist es mir ein Anliegen, eine Bewusstseinsveränderung bei Männern zu bewirken, damit sie ihre Verantwortung übernehmen und ihnen klar wird, dass durch jeden Freier Ausbeutung gefördert wird! Nur so kommen wir dem Ziel der gelebten Würde von Frau und Mann näher.“
In der Ursulinenkirche lud die Dance Company Variabel zur selbst erarbeiteten Performance „Wenn die Seele über den Körper spricht“ ein, die sie auf die Bühne brachte – im Altarraum, gleichsam zwischen Himmel und Erde. Jugendliche Tanzbegeisterte setzten sich mit der Realität Frauenhandel und Ausbeutung auseinander und setzen sie eindrücklich ausdrucksstark in Szene.
Vortrag einer Aussteigerin, der unter die Haut ging
Um ein sichtbares Zeichen zu setzen, zogen die Mitglieder der Initiative mit Transparenten zur Martin-Luther-Kirche, wo eine Live-Band, das Lukas Böhm-Trio, alle Interessierten empfing. In der Martin-Luther-Kirche bewegte Huschke Mau, Aussteigerin und Aktivistin, mit ihrem Vortrag „Über Prostitution und Menschenhandel“. Sie hat beides selbst erlebt und durchlitten. „Inzwischen ist sie Doktorandin und berichtete klar strukturiert und faktenbasiert darüber, dass es bei Prostitution und Menschenhandel um Gewalt und Missbrauch geht und nur die Interessen des Mannes bedient werden, während Frauen außer ein paar Geldscheinen nichts davon haben. Das geht unter die Haut … Nachklang der Zuhörenden: Ich habe Argumente gehört, die mir die Augen geöffnet haben und mir in meiner Argumentation helfen werden“, so Maria Schlackl über den berührenden Vortrag und die Resonanz darauf.
Huschke Mau habe am eigenen Leib erfahren, was Frauenhandel, Ausbeutung und Prostitution mit einer Frau machten, dass die gesamte Gesellschaft davon betroffen sei und es gesetzliche Regelungen brauche, die wirklich wirksam den Frauen dienten und nicht das ausbeuterische System legalisierten und stützten, betonte Maria Schlackl. Huschke Mau ist als Aktivistin seit ihrem Ausstieg unterwegs, um die Gesellschaft aufzuwecken, Männer zu sensibilisieren und Frauen zu bestärken, für sich selbst einzustehen. Isabella Maria Kern, Autorin von „Li – Tote Mädchen machen keinen Sex“ nach dem Vortrag: „Wir alle haben Mütter, Schwestern, Töchter, Nichten, Enkeltöchter. Können Sie sich vorstellen, dass einem dieser Menschen, die wir lieben, dieses Schicksal widerfährt? Huschke Mau hat mich mit ihrem Vortrag bestärkt, weiterzumachen und die Menschen über dieses Unrecht zu informieren.“
Fotos: Martin Eder
Video: Wenn die Seele über den Körper spricht. Tanzperformance in der Linzer Ursulinenkirche
[rsonnleitner]