Menschenhandel aufdecken – Menschenwürde stärken
Bereits zu Beginn der ökumenischen Gebetsfeier am 18.10. 2017 in der Martin-Luther-Kirche in Linz wurde klar, dass es um ein besonderes Thema ging – die BesucherInnen wurden aufgefordert, ein Netz, das im Kirchenschiff befestigt war, zu zerschneiden, um ein Symbol zu setzen – ein Symbol gegen Menschenhandel. „Verantwortungsvoll ein Leben in Würde zu ermöglichen, vor allem für Menschen, die von Ausbeutung und Gewalt betroffen sind ... ein Netzwerk der anderen ART … an dem wollen wir nun gemeinsam knüpfen!“ Nach diesen Auftaktworten von Maria Schlackl ging es rasch mitten hinein.
Michaela Haunold (Caritas für Menschen in Not) und Sr. Patricia Erber sds (Solwodi) erzählten zwei Geschichten aus ihrer Arbeit mit Opfern von Menschenhandel – zwei Beispiele, die aufzeigten, welche unterschiedlichen Formen von Ausbeutung es gibt.
Auch die ausgewählte Bibelstelle, der Psalm 124, mit dem Bild des Vogels, der das Netz des Jägers zerrissen hat und nun frei ist, wurde von Pfarrerin Veronika Obermeir dazu passend ausgelegt – mit dem Hinweis darauf, dass die Liebe es ist, die uns die Möglichkeit gibt, Netze zu zerreißen und Menschen zu befreien – und dass es an uns liegt, tätig zu werden und zu handeln.
Um handlungsfähig zu werden, macht es Sinn, so Hans Eidenberger in einer meditativen Übung, sich mit dem ‚dreifaltigen Liebesnetzwerk‘ Gottes zu vernetzen. Jesus reicht uns den Faden, der uns ermutigen und stärken will in unserem menschlichen Engagement zusammen mit IHM für würdevolles Menschsein zu wirken.
Das konkrete Handeln wurde bei den Fürbitten aufgegriffen, bei denen sich drei Projekte präsentierten:
Manika Sarkar (37) gründete 2006 die NGO „North 24 Parganas Sammyao Sramogibi Samity (NSS)“, die von der Katholischen Frauenbewegung mit der Aktion Familienfasttag unterstützt wird. Sie kämpft gemeinsam mit zehn MitarbeiterInnen und unzähligen Ehrenamtlichen im Norden Indiens gegen den Menschenhandel. Besonders Mädchen, die zudem einen niedrigen Bildungsstand haben, sind in der vernachlässigten Grenzregion leichte Opfer. Hier ködern Kinderhändler die Mädchen um sie in einem anderen Bundesstaat zu verheiraten, weil es dort einen Männerüberschuss gibt. NSS konnte bereits über 500 Mädchen aus den Fängen der MenschenhänderInnen befreien und 100 mit ihren Familien wiedervereinen, obwohl Opfer als „unrein“ gelten.
Das „Projekt Enampore“ ist eine Initiative der evangelischen Pfarrgemeinde Linz Innere Stadt und besteht seit 2008. Im Rahmen des Projektes Enampore wird heuer das „Zentrum Kullimaaroo“ in Ziguinchor/Südsenegal unterstützt, das sich für Frauen, die Gewaltopfer wurden, einsetzt und besonderen Schutz anbietet.
Das Frauenhaus in Ziguinchor wurde von der Plattform der Frauen für den Frieden in der Casamance errichtet. Diese Organisation arbeitet mit allen Frauenvereinen in der Region zusammen, die oft die Anlaufstellen vielfältiger sozialer Probleme in den Dörfern sind und hier ehrenamtliche Sozialarbeit leisten. Die Frauen aus den Dörfern sind mit der Plattform vernetzt. Scheitern Vermittlungsversuche in den Familien, können die Frauen in Not Zuflucht im neu gegründeten Frauenhaus finden.
SOLWODI bedeutet „Solidarity with Women in distress“, also „Solidarität mit Frauen in Not“. Die Initiative wurde 1985 von Sr. Dr. Lea Ackermann in Kenia gegründet und setzt sich für Frauen und Mädchen ein, die Opfer von Frauenhandel, Zwangsprostitution, Gewalt und Ausbeutung geworden sind. Die Arbeit von SOLWODI orientiert sich am christlichen Menschenbild – im Vordergrund steht die Würde und die Freiheit des Menschen.
In Österreich engagiert sich seit 2010 eine Gruppe von Ordensfrauen gegen Frauenhandel, die zum internationalen Netzwerk von SOLWODI gehört. Es gibt die Möglichkeit der Unterbringung in einer Schutzwohnung sowie begleitende Unterstützung über eine externe Beratungsstelle in Wien und Innsbruck.
Durch kurzfristige Krisenintervention und mittel- oder langfristige Beratungsprozesse erhalten die Frauen Hilfe zur psychischen Stabilisierung, Stärkung des Selbstwertgefühls sowie Unterstützung, die der Entwicklung neuer Lebensperspektiven und selbstbestimmten Entscheidungen dient.
Abschließend an die Fürbitten wurde ein gemeinsames Netz von bunten Fäden in der Kirche gespannt – jede und jeder trug einen Teil dazu bei, hier aktiv zu werden und ein Netz der Menschenwürde zu gestalten.
Die Grußworte von Bischofsvikar Willi Vieböck sowie Landeshauptmann a.D. Josef Pühringer zeigten, dass das Thema Menschenhandel auch Kirche und Politik beschäftigt und das Interesse groß ist, jedoch nicht nur das Interesse, sondern auch die Bereitschaft, Initiativen in diesem Bereich aktiv zu fördern und zu unterstützen.
Zur dichten Atmosphäre des Abends trugen neben den Texten und Erzählungen auch die MusikerInnen bei – sowohl das Orgelspiel von Franziska Leuschner als auch die Begleitung von Hans Eidenberger, Barbara Sereinig und Sr. Elisa Gradauer, Kreuzschwester, als auch der gemeinsame Gesang waren ein wesentliches Gestaltungselement.
Bei der abschließenden Agape gab es noch die Möglichkeit, in Austausch zu kommen und sich zu vernetzen – ganz im Sinne des Mottos der Veranstaltung – gemeinsam ein Netz gegen Ausbeutung und für Menschenwürde zu knüpfen.
[rs]