Stift Klosterneuburg: Warnung vor Entsolidarisierung in Gesellschaft
Schwerpunkt Gut und Böse: Im Stift Klosterneuburg diskutierten Expert:innen über die Frage, warum man als "Gut-Mensch" vermehrt diskreditiert wird. (c) Herbert Frank
Die vielfältigen Herausforderungen in Österreich, in Europa, aber auch darüber hinaus, lassen sich nur miteinander und nicht gegeneinander lösen. Das war der Tenor der Podiumsdiskussion "Gut-Mensch sein" im Stift Klosterneuburg am Abend des 31. August. Der Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner, der Direktor der Katholischen Sozialakademie (ksoe), Markus Schlagnitweit, und die Gründerin und langjährige Leiterin der Wiener Obdachloseneinrichtung VinziRast, Cecily Corti, gingen u.a. der Frage nach, weshalb der Wille vieler Menschen, anderen Gutes zu tun, vermehrt lächerlich gemacht wird. Zudem beinhalteten ihre Ausführungen ein eindringliches Plädoyer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Der Klosterneuburger Chorherr Tassilo Lorenz hielt einen einführenden Impuls, in dem er darauf hinwies, dass die Suche nach dem "guten Menschen" die Geschichte durchziehe. Zuletzt sei die Bezeichnung "Gut-Mensch" freilich zu einem Negativbegriff verkommen, gepaart mit Spott, Hohn und Verachtung für jene, die sich für eine bessere Gesellschaft einsetzen wollen. Lorenz stellte auch die Frage nach der Religion: Können nicht-religiöse Menschen genauso gut sein wie religiöse? Gibt es ein allgemeines Ethos, unabhängig von den Religionen?
Gefährliche Sprache
Caritasdirektor Schwertner warnte im Rahmen der Diskussion eindringlich vor Tendenzen der Entsolidarisierung in der Gesellschaft. Viele Menschen seien überfordert, wünschten sich einfach Antworten und Lösungen für die zahlreichen Krisen der Gegenwart. Das befördere die Suche nach Schuldigen, werde von verschiedenen Kräften ausgenützt und führe leicht zu Hass und Gewalt. Auch dass Menschen, die sich etwa für Geflüchtete einsetzen, derart kritisiert und verachtet, ja sogar als "Beitragstäter" beschuldigt werden, mache ihn fassungslos, so Schwertner: "Wir dürfen nicht zulassen, dass bestimmte Kräfte Begrifflichkeiten für sich vereinnahmen", warnte der Caritasdirektor.
Schwertner zeigte sich zudem fassungslos, dass das jüngste Video der Freiheitlichen Jugend nicht österreichweit für einen massiven Aufschrei gesorgt habe. "Wenn in diesem Video junge Menschen auf den Balkon in der Hofburg schauen, auf dem Hitler gestanden ist, und dazu die Botschaft vermittelt wird: Das ist unsere Zukunft", dann sei damit eine Rote Linie überschritten worden. "Wir sind zu bequem geworden. Demokratische Werte sind keine Selbstverständlichkeit, sie müssen ständig aufs Neue bewahrt werden", so Schwertner. Das zeige auch der Blick über Österreichs Grenzen hinaus. Aber eben auch schon der Blick ins eigene Land.
Reger Austausch: Im Gespräch orteten die Expert:innen einen Zusammenhang zwischen ökologischer und sozialer Krise.. (c) Stift Klosterneuburg
Krisen nicht gegeneinander ausspielen
Auch ksoe-Direktor Schlagnitweit pflichtete bei, dass es gesellschaftliche Kräfte gibt, die soziales Engagement bekämpfen und andere Ziele verfolgen würden. Er zeigte sich ebenso besorgt über die oftmals verwendeten Sprache bzw. Begrifflichkeiten, hinter denen eine gewisse Agenda stehe. Als Beispiel nannte er neben dem Begriff des "Gut-Menschen" auch jenen der "Klimahysterie". Der wissenschaftliche Befund sei eindeutig. Die Welt befinde sich an einem klimatischen Kipppunkt, so der ksoe-Direktor.
Einig waren sich Schlagnitweit und Schwertner, dass verschiedene Krisen bzw. Betroffene in Not nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Der ksoe-Direktor verwies etwa auf Papst Franziskus, der stets den Zusammenhang von ökologischer und sozialer Krise betone. Das Thema Schöpfungsverantwortung sei jedenfalls längst auch in den Kirchen angekommen, so der Befund Schlagnitweits.
"Soziales Engagement macht Freude"
Cecily Corti erinnerte sich im Rahmen der Podiumsdiskussion an die Anfänge ihres Engagements mit Obdachlosen zurück: "Ich wollte mich nicht ohnmächtig fühlen, ich wollte damals vor fast 20 Jahren etwas tun, um diese Welt zu verbessern." Sie wollte nicht bewusst "gut" sein, so Corti, sie wollte einfach etwas tun. Für sie sei ihr soziales Engagement letztlich das Selbstverständlichste auf der Welt gewesen. Dass es dann ausgerechnet die Arbeit mit Obdachlosen wurde, sei freilich eher dem Zufall geschuldet gewesen, u.a. einer Begegnung mit Vinzi-Pfarrer Wolfgang Pucher.
Die Jahre ihres Engagements bei der Vinzi-Rast wolle sie jedenfalls auf gar keinen Fall mehr missen. Sie sei dabei zutiefst auch selbst beschenkt worden. "Soziales Engagement macht Freude, ich habe viel gelernt. Vor 30 Jahren habe ich auch noch einen Bogen um Obdachlose gemacht". Wenn etwas diese Welt verändern kann, dann sei es Empathie, zeigte sich Corti überzeugt.
Mit kleinen Schritten Großes erreichen
Corti wie auch Schwertner wiesen darauf hin, dass es beim sozialen Engagement vor allem auf den ersten Schritt ankommt. "Der erste Schritt ist wichtig, dann kann Großes entstehen", so Schwertner wörtlich. Er erinnerte etwa an die Anfänge der Wiener Obdachloseneinrichtung "Gruft". Am Anfang sei nicht die große Caritas gestanden, sondern einige Schülerinnen und Schüler.
Im Blick auf die Religionsfrage wies Schwertner darauf hin, dass die Caritas zwar eine Einrichtung der katholischen Kirche sei, die Hilfe aber allen Menschen in Not gelte, unabhängig von Religion, Herkunft oder sonstigen Kriterien. Schwertner zeigte sich auch überzeugt, dass es über die verschiedenen Religionen hinaus bei allen Menschen eine Art von Grundverständnis von "gut" und "böse" gibt. Insofern könne man auch als nicht religiöser Mensch natürlich "gut" sein. Für einen religiösen Menschen gebe es dazu freilich keine Alternative.
Die Diskussionsteilnehmer:innen v.l.n.r.: Tassilo Lorenz, Stift Klosterneuburg / Markus Schlagnitweit, Direktor Katholische Sozialakademie Österreich / Maria Harmer, Redakteurin ORF Religion / Cecily Corti, Gründerin und langjährige Leiterin VinziRast / Klaus Schwertner, Direktor Caritas der Erzdiözese Wien / Propst Anton Höslinger, Stift Klosterneuburg
Jenseits von Gut und Böse
Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der zweiteiligen Veranstaltungsreihe "Jenseits von Gut und Böse" statt, mit der die Jahresausstellung "Die guten Werke" im Stift inhaltlich begleitet wird. Die erste Veranstaltung im Juni war der "Macht des Bösen" gewidmet. Propst Anton Höslinger unterstrich am Donnerstagabend in seinen einleitenden Worten, dass sich das Stift mit Veranstaltungen wie dieser in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen wolle. Die Kirche sei mit vielen weiteren gesellschaftlichen Kräften gefordert, gemeinsam weiterzudenken, so der Propst.
Quelle: kathpress
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[markus lahner]