Spiritualität ist Fundament und Quelle für alles
Provokant gefragt: Heilt Beziehung?
Sr. Barbara: Beziehung leistet einen sehr wichtigen Beitrag zur Heilung. Die Medizin entwickelt sich immer schneller, und in der Folge muss alles immer schneller gehen. Doch die Gefahr ist, dass dabei die Kommunikation mit den Patienten auf der Strecke bleibt. Das löst immer Unsicherheit aus. Und Unsicherheit ist etwas, was Menschen sehr beeinträchtigt. Was wiederum die Heilung blockiert. Um es umgekehrt zu formulieren: Eine gute vertrauensvolle Beziehung zwischen Patienten und Spitalsteam unterstützt den Heilungsprozess.
Demnächst liegt in allen Ordensspitälern für die Patientinnen und Patienten eine Broschüre mit dem Titel „Quellen der Kraft“ auf, die sich intensiv mit dem Thema „Beziehung heilt“ auseinandersetzt und den Beziehungsprozess zwischen Patient und Pflegeteam unterstützen wird.
Liebminger: Es war unser erklärtes Ziel, Spiritualität sichtbar und erfahrbar zu machen. Dieses Ziel wollten wir über eine mediale Form erreichen. Das Endergebnis war dann die Broschüre. Weil wir glauben, dass Spiritualität in einem Ordens-Krankenhaus eine zentrale Rolle haben darf und muss.
Sozusagen Spiritualität als einzigartiges Markenzeichen eines Ordensspitals?
Liebminger: Ja, so kann man das sagen.
Sr. Barbara: Es brauchte in diesem Sinne auch keinen langen Entwicklungsschritt, um zu dieser Broschüre zu kommen. Spiritualität war immer da; wir haben sie mit diesem Schritt nur erfasst und auch benannt. Aber man muss akzeptieren, dass sich Zeiten und Dinge ändern. Früher haben in den Ordensspitälern mehr geistliche Schwestern gearbeitet; da war Spiritualität und Krankenhausseelsorge, ich sage es einmal salopp, fast ein Selbstläufer. Liebminger: Es gibt in allen Krankenhäusern institutionalisierte Krankenhausseelsorge. Aber wir sind bemüht, einen Grundduktus von Spiritualität als Haltung mitzutransportieren, quer durch alle Bereiche eines Ordensspitals. Deshalb sind die „Quellen der Kraft“ auch nicht auf religiöse Übungen fokussiert, sondern beschäftigen sich mit sehr alltäglichen Dingen, angefangen vom Atmen bis hin zum Nachdenken darüber, was ich eigentlich brauche. Erst in einem dritten Schritt geschieht dann der Fokus auf Gott.
Sr. Barbara: Es sind für den Patienten sehr viele Impulse drin, die er für sich selbst nutzen kann. Liebminger: Ich bin davon überzeugt, dass diese Broschüre ein Anker dafür ist, dass es über die Hoffnung auf die beste Medizin und Pflege auch noch etwas gibt, das ein umfassenderes „Heil-Sein“ bedeutet. Der typische österreichische Spruch heißt: Hauptsache, man ist gesund. Aber funktioniert halt im Krankenhaus nicht immer. Unser Zugang ist zu sagen: So wie du bist, begegnet dir auch Gott, und für ihn bist du, egal ob gesund oder krank, alt oder jung, der gleiche wertvolle Mensch. Daraus kann man Kraft ziehen. Und die „Quellen der Kraft“ sind so aufgebaut, dass auch jemand, der wenig oder überhaupt nicht religiös ist, das eine oder andere nachvollziehen kann.
Sr. Barbara Lehner, Generaloberin der Elisabethinen, und Günther Liebminger, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation im Krankenhaus der Elisabethinen in Graz.
Foto links: Elisabethinen, Foto rechts: Katrin Bruder
Also selbst wer nicht gläubig ist, zieht Kraft daraus, in einem Ordensspital zu sein.
Liebminger: Ja. In meinem Bekanntenkreis gibt es Leute, die sagen: Ich gehe gern in ein Ordensspital, auch wenn ich nicht gläubig bin, weil ich dort das Gefühl habe, hier ist es anders. „Beziehung heilt“ passiert in erster Linie auf Ebene der Patienten.
Spiritualität wirkt sich auf alle Bereiche eines Ordensspitals aus. Gilt das auch intern für die MitarbeiterInnen eines Ordensspitals?
Liebminger: Es ist ein hehrer Ansatz, dass wir anders sind, einerseits im Umgang mit den Patientinnen und Patienten, und andererseits als Arbeitgeber. Das geht Hand in Hand und hat auch Wechselwirkung. Es wird uns auch immer wieder in Umfragen bestätigt. „Bei euch ist es anders“ – sowohl aus der Patienten- als auch aus der Mitarbeiterperspektive. Vieles davon lässt sich nicht in objektivierbaren Größen messen, sondern es ist ein G‘spür.
Sr. Barbara: Wir haben unsere Elisabethinischen Grundsätze, die vermitteln wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Manche Stationen arbeiten damit auch bei den Stationsbesprechungen und überlegen: Wie schaut das für uns auf der Station praktisch aus? Wir vermitteln sie bei der Mitarbeitereinschulung zum Thema Identität. Wir haben auch sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon lange im Haus und daher auch geprägt sind von dem, was uns Elisabethinen ausmacht. So können wir unsere Spiritualität den Menschen sehr nahe bringen.
Die Ordensspitäler sind bekannt für Top- Medizin. Braucht Top-Medizin Spiritualität und Beziehung?
Liebminger: Es sind keine Gegensätze, sondern zwei Zugänge zum Menschen. Einerseits versuchen wir mit der bestmöglich verfügbaren Medizin das Leiden des Patienten zu mindern und zu heilen. Gleichzeitig braucht es aber auch eine Ergänzung, die den Menschen in seiner ganzen Dimension, also mit Leib und Seele, ernst nimmt.
Wie sehen Sie die Zukunft der Ordensspitäler?
Sr. Barbara: Sehr positiv. Wir müssen allerdings für Partnerschaften, Netzwerke und Kooperationen offen sein. Die Ordensspitäler müssen das Gemeinsame betonen, ohne die eigene Identität zu verlieren. Und wenn wir sagen, Beziehung heilt, dann ist genau das unser Pluspunkt. Wenn wir die Balance zwischen Spiritualität und Spitzenmedizin halten, dann haben wir gute Aussichten für die Zukunft.
Die Ordensspitäler in Österreich
[rs]