Medizin der Zukunft zwischen High-Tech und Herzensbildung
Es ist noch kein Manifest daraus geworden, aber ein „manifestes Orientierungspapier“, das sich Beachtung verdient hat und eine solide Basis für die Weiterarbeit gibt – für die Weiterarbeit in Ordensspitälern selber und für die Weiterarbeit am Text selbst, der immer pointierter formuliert, was Sache ist: Die Menschen sollen im Ordensspital heil werden im umfassenden Sinn, und das Gesundheitssystem selbst braucht auch Heilung. Denn in einigen Bereichen krankt es.
Die Gesundheitsversorgung in Österreich gehört zu den besten der Welt, das sieht die Arbeitsgruppe der Krankenhausorden ganz klar. Dass es dennoch eigene Ordensspitäler gibt, habe einen tiefen Sinn. Denn der Beitrag der von Orden gegründeten und inspirierten Krankenhäuser und ihre Sichtweise auf den Menschen „werden gerade in einer Zeit des Umbruchs gebraucht“. Die Medizin soll den Blick auf Menschen in ihrer Ganzheit gewinnen. „Das bestehende System bringt den Kern der Heilkunst, das Gespräch, die Beziehung zwischen Arzt oder Ärztin und PatientInnen zunehmend unter Druck.“ Dieses Dilemma erkennen die spitalserfahrenen Ordensverantwortlichen als eine Herausforderung für die Krankenhäuser der Gegenwart. „Für ein Spital der Zukunft werden wir daran arbeiten, dass es über die medizinische Versorgung hinaus ein Ort … der Beziehung bleibt, die Selbstverantwortung der Patientinnen und Patienten fördert … und die Würde des Menschen wahrt.“ Einiges davon ist bereits verwirklicht, dennoch sei es für die Zukunft nötig, neue und ungewohnte Wege zu gehen, ist Grundtenor im Arbeitspapier, das den Ordensspitälern eine Basis und Richtung geben soll.
Konkret sind es acht Punkte, die die Ordensverantwortlichen als identitätsstiftend für ein Ordensspital bereits ausformuliert haben – die Weiterarbeit am Text nicht ausgeschlossen.
Heil auf allen Ebenen
Ordensspitäler sehen es als ihren Auftrag, Menschen die bestmögliche medizinische Versorgung zu bieten und darüber hinaus Heilung als Versöhnung mit dem Leben auf allen Ebenen im Blick zu bewahren. „In manchen Fällen kann das auch darin bestehen, das eigene Schicksal anzunehmen.“
Menschen sehen
Menschen, die sich gesehen fühlen, können besser Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, ist die Erfahrung der Spitalsorden. Wo der Krankenhausalltag alleine von Routinen geprägt ist, fühlen sich sowohl das Krankenhauspersonal als auch die Patientinnen und Patienten eingeschränkt. Die Frage Jesu, „Was willst du, dass ich dir tun soll?“, soll in der Beziehung zwischen Personal und Kranken mehr Platz bekommen.
Medizinische Inhalte verständlich machen
Damit Menschen einander verstehen, brauchen sie eine gemeinsame Sprache. Die Ordensverantwortlichen sehen es als Aufgabe der Ordensspitäler, dass das medizinische Personal befähigt wird, Behandlungsoptionen sowie Grenzen und Nebenwirkungen der Behandlung in einer für Nicht-Medizinerinnen verständlichen Sprache zu besprechen.
Wohlwollende Atmosphäre
Dass Patienten die Stimmung und Atmosphäre auf einer Station sehr genau spüren und darauf reagieren, ist eine Beobachtung in Krankenhäusern. „Das kann einen großen Unterschied im Handlungsverlauf machen.“ Die Spitalsorden sind davon überzeugt, dass es im Krankenhausalltag zwar klare Entscheidungshierarchien, aber keine Geltungs- und Statushierarchien braucht.
Menschenfreundliche Architektur
Die Stimmung wird entscheidend auch von der räumlichen Gestaltung beeinflusst. Wirtschaftlichkeit des Bauens sei zwar wichtig, ebenso wichtig seien jedoch achtsam gestaltete, ressourcenschonende und naturnahe Architekturen – denn diese erleichtern Begegnungen.
Menschen funktionieren nicht wie
Maschinen
Die Erfolgsgeschichte der evidenzbasierten Medizin ist unbestritten. Wo sich Menschen allerdings „mit großem pharmakologschen Einsatz“ repariert fühlen, aber wenig verstanden, dort sinkt das Vertrauen in die Medizin. In diesem Sinne plädieren die Ordensverantwortlichen für eine Wertschätzung von komplementären Ansätzen im Betrieb der Ordensspitäler. Bezug genommen wird in diesem Zusammenhang auf die Enzyklika Laudato si' von Papst Franziskus, dem es ein Herzensanliegen ist, den Übergang von einem technokratischen in ein ökologisches, soziales, spirituelles Menschen- und Weltbild zu schaffen.
Medizinethik: Ein anderer Ansatz ist möglich
Manche medizinischen Möglichkeiten stehen im Widerspruch zur christlichen Ethik. Dort, etwa statt Sterbehilfe, stellen Ordensspitäler ein Netz der Begleitung, Beratung und Beziehung zur Verfügung.
Spiritualität braucht Raum
Dass Spiritualität eine wesentliche Quelle der Kraft im Prozess von Krankheit und Heilung ist, ist mittlerweile auch außerhalb der Ordenswelt bekannt. Umso mehr sollte dieses Wissen dahin führen, dass Spiritualität ihren angemessenen Raum im Ordensspital bekommt, räumlich und zeitlich. Denn, so sind die Ordensverantwortlichen sicher: „Die Zukunft der Medizin wird beides brauchen: High-Tech und Herzensbildung.“ Die im Arbeitspapier zu „Beziehung heilt“ formulierten Überlegungen stellen die Basis dar für die Blickrichtung der Ordensspitäler. Es liegt an jedem einzelnen Spital, an jeder einzelnen Verantwortlichen, an jedem einzelnen Mitarbeiter, ob im Ordensspital der Zukunft der kleine Unterschied zu spüren ist – für jede und jeden, die krank ins Krankenhaus kommt und es heil wieder verlassen möchte.
Die Ordenssptäler in Österreich
[ms]