Weltpilgertag 23. Juli: Ungebrochener Boom zur „Auszeit in der Natur“
Unterwegs zur Pilgerstätte: Mit dem Ziel vor Augen nimmt man auch so manche Beschwerden in Kauf. (c) Franz Weingartner
Pilgern hat Tradition
Pilgern ist nicht wirklich neu, es findet sich in allen Kulturen und Religionen und symbolisiert den Aufbruch, das Unterwegssein und das Ankommen. Die katholische Kirche begeht den Weltpilgertag am 23. Juli, dem Gedenktag des Pilger-Apostels Jakobus des Älteren.
Das auf ein Ziel ausgerichtete Gehen und Wandern ermöglicht Distanz zur Getriebenheit des Alltags, und der unmittelbare Kontakt mit dem Boden vermittelt Halt. Ein Ziel zu haben, ist dabei von besonderer Bedeutung. „Der Mensch will nicht auf der Strecke bleiben und ziellos durch das Leben gehen, sondern sein Ziel finden“, weiß Alma-Maria Becker-Seifert, Pilgerbeauftragte des Begegnungszentrums Quo vadis?. „Ob es ein bestimmter Wallfahrtsort, ein anderer Kraftplatz, ein Berggipfel, die Wüste oder ein Lebenstraum ist – mit dem Blick auf das Ziel lohnt es sich, auch beschwerliche Wege zu gehen und dadurch Erfüllung zu finden.“
Raus aus der Sinnkrise: Helmut Holzinger empfand seine Pilgerreise als ungemein bereichernd. (c) privat
Die eigene Mitte finden
Die Beweggründe zum Pilgern sind äußerst vielfältig. „Viele Pilgernde wollen sich eine Auszeit nehmen oder suchen eine Neuorientierung. Manche Menschen haben eine schwere Zeit hinter sich, manche möchten sich etwas Gutes tun“, so P. Thomas Margreiter aus dem Stift Heiligenkreuz. Große Erfahrung mit dem Pilgern hat auch P. Gerwig Romirer, Prior des Benediktinerstiftes St. Lambrecht, von dem aus Mariazell, der bedeutendste Wallfahrtsort Österreichs, gegründet wurde. „Welches Motiv auch immer zugrunde liegt, beim Pilgern nimmt man auf jeden Fall eine Erfahrung mit, auch wenn man sich nicht als religiös betrachtet“, so P. Romirer. „Beim Pilgern ist man nicht nur äußerlich in Bewegung, es ändert sich auch im Inneren viel - manches löst sich, manches wird wach und bewusst wahrgenommen.“
Diese Erfahrung machte unter anderem Helmut Holzinger, der das Pilgern kurz vor seinem 50. Geburtstag für sich entdeckte. „In der Mitte meines Lebens bin ich in eine Sinnkrise verfallen. Alles war abgesichert – Arbeit, Geld, die Kinder waren erwachsen. Ich fragte mich: Was soll noch kommen? Zu meinem Fünfziger pilgerte ich von Bad Hall nach Mariazell – und war begeistert. Das Pilgern half mir über diese Sinnkrise hinweg und bereicherte mein Leben ungemein. Wenn man bereit ist, sich zu öffnen, wird man reichlich beschenkt“, erzählt Holzinger.
Für Ordenspriester P. Ferdinand Karer OSFS war seine zweiwöchige Pilgerreise von Dachsberg nach Rom ein besonderes Gotteserlebnis. „Den eigenen Rhythmus zu finden im Gehen, Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug – für mich entsteht da völlige Freiheit im Denken. Die Freude an der Schöpfung und das Staunen in der Natur, wenn man schöne Wege geht – all das bringt mich weiter im Glauben und stärkt den Glauben“, erläutert Karer. Gleichzeitig sei es spannend gewesen, herauszufinden, wie man es „mit sich selbst gut aushält“. Seine Eindrücke hat er jeweils am Ende einer Etappe niedergeschrieben und später in Form eines Buches („Gehen und staunen – Mein Pilgerweg nach Rom“) veröffentlicht.
Besonderes Gotteserlebnis: P. Ferdinand Karer OSFS am Ziel seiner Pilgerreise von Dachsberg nach Rom (c) privat
Klöster säumen Pilgerwege
30 Stifte und Orden von „Klösterreich“ liegen an Pilgerwegen und bieten besondere Angebote für Pilgernde. So gibt es die Möglichkeit, mit Lamas als Lasttiere den Jakobsweg zu gehen, der auf 44 Kilometern von Stift Göttweig zum Stift Melk führt. Weitere Angebote:
- An der Via Sacra, Österreichs ältestem Pilgerweg, liegen die Stifte Heiligenkreuz und Lilienfeld, sie bieten Auszeiten und Tage der Stille für Pilgernde an. Die Gäste haben jederzeit Zugang zur Kirche, dem Kreuzgang, zum Kreuzganggarten und Kapitelsaal und sind zu den Gebetszeiten der Zisterzienser eingeladen.
- Die Schönheit der Natur wahrnehmen und über die Schöpfung staunen kann man bei Besinnung und Wandern mit Abt Lukas im Stift Schlägl (30.07. bis 4.08.2023). Schweigend gehen und im Schweigen sein, sind dabei wesentliche Elemente des Kurses, täglich wird ca. vier bis fünf Stunden gewandert.
- Durch Bewegung zur Ruhe kommt man bei meditativen Wanderwochen (z. B. 07. bis 12.08.2023) und Pilger-Wochenenden der Benediktiner von Stift St. Lambrecht in den steirischen Bergen. Das „Auszeit-Tagebuch“ und ein Naturlogbuch geben Impulse für die Zeit danach.
- Im Curhaus der Marienschwestern in Bad Kreuzen kann man Wanderungen im Strudengau mit Kneipp'schen Anwendungen kombinieren. Das Curhaus, das zugleich das erste Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin (TEM) ist, liegt direkt am Weitwanderweg Donausteig und ist bestens für eine mehrtägige Pilgerrast und eine Wohlfühlauszeit geeignet. Achtsamkeit, Bei-Sich-Ankommen, Entschleunigung, Selbstregeneration und Selbstheilung sind Werte des Pilgerns und der TEM im Curhaus.
Gemeinsam unterwegs: Die Pilgerwege der Stifte und Klöster laden zu Besinnung und Wandern unter Gleichgesinnten ein. (c) Stift St. Paul
Eröffnung des Benediktweges Oberösterreich
Im Stift Kremsmünster wird am 25. August um 10 Uhr der oberösterreichische Teil des Benedikt-Pilgerweges feierlich eröffnet. Die Eröffnung und Segnung wird durch Diözesanbischof Manfred Scheuer und Abt Ambros Ebhart OSB erfolgen. Unter dem Motto „Von Kloster zu Kloster“ wurden jeweils 370 km Fuß- und Radpilgerwege geschaffen. Damit kann man von Passau bis Spital am Pyhrn gehen oder den Pilgerrundweg Traunviertel absolvieren. Bereits seit 2009 läuft das Projekt Benedikt-Pilgerweg. Es wurde anlässlich der 200-Jahrfeier der Wiederbesiedelung des Stiftes St. Paul im Lavanttal in Kärnten ins Leben gerufen. Nach der Fertigstellung soll der Weg im Süden bis zum Kloster Montecassino, von dem der Benediktorden ausging, und im Norden bis Pluscarden in Schottland, der nördlichsten Benediktinerabtei, führen und insgesamt 4.000 km lang sein.
Praktische Tipps fürs Pilgern
Die Ausrüstung für eine Pilgerreise muss gut überlegt sein – jeder zu große Rucksack, jedes Gramm zu viel ist eine körperliche Belastung, die man zusätzlich zu den Strapazen, die ein Pilgerweg mit sich bringt, bewältigen muss. Alma-Maria Becker-Seifert hat dazu einige praktische Tipps parat. „Generell gilt - der Rucksack sollte nicht mehr als zehn Prozent des eigenen Körpergewichts haben, das sind bei den meisten Menschen sechs bis zehn Kilo“, so die Expertin. Damit es gelingt, sein Leben für einige Tage oder Wochen auf so wenig Gepäck zu reduzieren, empfiehlt sie, die folgenden Punkte zu beachten:
Bequemes Schuhwerk
Ein gutes Schuhwerk ist wichtig – am besten sind gut eingetragene Wander-, Trekking- oder Sportschuhe, je nach Belieben und Jahreszeit. Daneben sind gute Socken von großer Bedeutung, idealerweise solche, die das Blut im Fuß zirkulieren lassen. Außerdem gehören ein Paar leichte Schuhe und Flip-Flops oder Sandalen für den Abend ins Gepäck.
Passende Bekleidung
Je nach Jahreszeit empfiehlt Becker-Seifert eine lange bzw. ¾-Hose zum Gehen und im Sommer auch eine kurze Hose. Für den Abend und zum Schlafen hat sich für sie eine gemütliche Jogginghose bewährt. Da es in fast jeder Herberge eine Waschmaschine gibt, genügt es, ca. drei Garnituren Unterwäsche mitzunehmen. Für die Damen wird außerdem ein Sport-BH und ein normaler BH empfohlen. Dazu kommen zwei T-Shirts für den Abend und die Nacht sowie zwei bis drei T-Shirts zum Gehen. Außerdem sollte man zwei Westen – eine zum Gehen und eine für danach –, eine gute Jacke und einen großen Regenschutz mit auf die Pilgerreise nehmen.
Gut ans Ziel: Wer beim Pilgern einige Tipps beachtet, erlebt unterwegs keine bösen Überraschungen. (c) dagmarbendel auf Pixabay
Wichtiges für den Kopf
Kopfbedeckung, Sonnenbrillen und Sonnencreme sind besonders im Sommer Utensilien, auf die man nicht verzichten kann. Dazu kommen eine kleine Hautcreme, Zahnbürste und -pasta und ein kleines Haarshampoo bzw. Duschgel, mit dem man auch die Kleidung waschen kann.
Apropos Kopf: Um seine Gedanken festzuhalten, ist es sinnvoll, ein kleines Tagebuch mitnehmen, und die Bibel gehört natürlich ebenfalls in den Rucksack. Auch ein Handy mit Ladekabel und Powerbank sowie ein Pilgerführer mit Wegbeschreibung und Unterkunftsverzeichnis sind nützliche Wegbegleiter. Nicht notwendig, aber brauchbar: Stirnlampe und Taschentücher. Unbedingt notwendig: Ein bis zwei Liter Wasser pro Tag und Proviant.
Der Körper im Gleichgewicht
Um all das möglichst körperschonend zu transportieren, ist ein guter Rucksack zu empfehlen - er sollte über viele Fächer verfügen und am besten unten ein großes Fach für Schlafsack, Handtuch, Schuhe und Regenschutz haben. Apropos: Schlafsack und Handtuch gehören natürlich auch mit ins Pilgergepäck. Wichtig sind außerdem noch Geld, Reisepass, ein kleiner Beutel für den Abend und ggf. ein Pilgerpass, den man u.a. im Quo vadis? am Stephansplatz 6 in 1010 Wien erhält.
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[markus lahner]