Begegnung mit Charles de Foucauld: Machen, was noch keiner zuvor gemacht hat
„Wenn man die Ordensregeln von Charles de Foucauld liest, dann müsste man eigentlich die Flucht ergreifen“, erzählt lachend Sr. Maria Lydia von den Kleinen Schwestern Jesu aus der Niederlassung in Regelsbrunn. „Die waren eigentlich unlebbar! Auch als Mensch war er so radikal, dass Menschen seine Art zu leben immer nur ein paar Monate durchgehalten haben.“ Und dennoch: „Als ich seine Biografie gelesen hatte, wusste ich, das ist mein Weg.“
Charles de Foucauld wurde 1856 als Spross einer französischen Adelsfamilie in der Nähe von Strassburg geboren. Seine Eltern starben früh; er wuchs bei seinen Großeltern auf, denen es nicht gelang, ihm den Glauben näher zu bringen. Das Erbe seiner Eltern erlaubte ihm ein Leben im Wohlstand, doch er beginnt, es in sinnlosen Vergnügungen zu Verschleudern.
1876 trat er in den Militärdienst ein, doch bereits sechs Jahre später nimmt er seinen Abschied. Mit 25 unternahm er auf eigene Faust eine gewagte Forschungsreise durch das damals jedem Europäer verschlossene Marokko. Die Würde und Schönheit des Islam und der Wüste bewegten ihn sehr; von nun an suchte er nach dem Sinn seines Lebens, nach Glück, Erfüllung, Hingabe an „etwas, das größer ist als das, womit wir unsre Zeit verbringen“, wie er selbst schrieb.
Am 10. März 2016 lud das Quo Vadis, das Begegnungszentrum am Stephansplatz 6, zu einer Begegnung mit den kleinen Brüdern und Schwestern Jesu ein. Im Mittelpunkt stand ihr Ordensgründer Charles de Foucauld, dessen Todesjahr sich 2016 zum 100. Mal jährt. (c) Quo Vadis
„Irgendetwas trieb ihn an, etwas zu machen, was noch keiner zuvor gemacht hat“, sagt Sr. Maria Lydia. „Das war sein Charisma, seine Radikalität. Noch keiner hatte vor ihm Marokko erforscht als Christ, das war eine Todesfalle. Keiner hatte das vor ihm getan. Das gehörte auch zu seiner Form der Nachfolge.“
Sobald Charles de Foucauld erkannte, dass „es einen Gott gibt, wurde mir klar, dass ich nichts anderes tun konnte als für ihn allein zu leben“. Für sieben Jahre trat er in dieKongregation der Trappisten ein, doch am Vorabend seiner Ewigen Gelübde verließ er 1897 die Gemeinschaft und ging zuerst nach Nazareth, wo er drei Jahre zurückgezogen lebte, und 1901, nach seiner Priesterweihe, nach Algerien. Dort errichtete er eine Einsiedelei in der Erwartung, bald Gefährten zu bekommen. Doch dieses Leben hatte natürlich auch seine Schattenseiten. Sr. Maria Lydia: „Radikalität hat etwas Positives, es kann aber auch zu einer Unlebbarkeit für einen anderen führen. Keiner hat so vor ihm gelebt. Es konnte auch keiner mit ihm leben.“ Getrieben von dem Ruf, zu den Ärmsten der Armen zu gehen, entscheidet er sich, 1905 zu den Tuareg in den Hoggar zu übersiedeln. „Ich bin nicht hier, um die Tuareg zum Christentum zu bekehren, sondern um zu suchen, sie zu verstehen“, lautete sein Grundsatz.
„Der Kleine Bruder Karl von Jesus Christus, wie sich Charles de Foucauld hinfort nannte, lebte mit Jesus Christus in einer Liebesbeziehung. Er hat Religion zu einer Sache der Liebe gemacht, nicht zu einer theologischen Kopfgeschichte, sondern zu einer echten Liebesbeziehung“, erzählt Sr. Maria Lydia. „Diese Liebe zu Jesus von Nazareth führt ihn dazu, das unbekannte, unauffällige Dasein Gottes unter den Menschen zu entdecken, verborgen im alltäglichen Leben der vielen, deren Alltag mühsam ist, deren Lebensfreude allein in der einfachen Vertrautheit mit Gott und den Menschen liegt. Seine Suche nach Gott hat ihn zu den Menschen geführt, zu den Geringen und Armen, denen er ganz konkret und selbstlos dient, in denen er Christus gefunden hat.“ In dieser Nachfolge leben auch die Kleinen Schwestern und Brüder Jesu; der gewöhnliche Alltag ist Ort der Begegnung mit Gott.
Am Abend des 1. Dezember 1916 wurde Charles de Foucauld von einer Bande bewaffneter Männer überfallen und ausgeraubt. Ein junger Mann, der ihn bewachen sollte, hörte das Herannahen von anderen Truppen, verlor die Nerven und erschoss ihn. Am 13. November 2005 wurde der Kleine Bruder Karl von Jesus Christus seliggesprochen.
Einen Artikel über die Kleinen Schwestern Jesu finden Sie auch im ON 3/15
[rs]