Weltfrauentag: Kein Grund für eine Männerkirche
Sr. Maria Schlackl gehört zur Gemeinschaft der Salvatorianerinnen in Linz und ist die Initiatorin von „Aktiv gegen Menschenhandel – Aktiv für Menschenwürde“ in Oberösterreich. Foto: Manu Nitsch
Sr. MARIA SCHLACKL: „‚Was wolln’s denn‘ ist nach wie vor aus gewissen Männerschichten und Kreisen zu vernehmen. Sie behaupten – großteils – es gibt sie, die Geschlechtergerechtigkeit. In der Realität trifft sie nicht zu. Ich nenne ein paar konkrete, im wahrsten Sinn des Wortes grundlegende Beispiele:
Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert Frauen bei gleicher Qualifikation, gleicher Arbeit und Leistung immer noch weniger verdienen und meist die zusätzliche Belastung von Kinderbetreuung und Haushalt haben. In manchen Partnerschaften hat gottlob auch halbe-halbe tatsächlich Einzug gehalten und für manche Männer ist das auch selbstverständlich.
Der Pflegeberuf gehört für mich in die Kategorie jener Leistungen, die ausgezeichnet gehören. Pflege ist Schwerarbeit! Wie wird sie gewertet? Sie wird zum allergrößten Teil von Frauen geleistet und ist unterbezahlt.
Arbeitszeiten in Geschäften sind nicht frauenfreundlich, um nicht zu sagen, sie sind familienfeindlich. Eine Kassiererin hat mir einmal gesagt: Bald werden wir rund um die Uhr hier sitzen.
Und der größte Skandal liegt für mich in der Gewaltanwendung Frauen und Kindern gegenüber – zu allermeist in den eigenen vier Wänden. Das ist statistisch erwiesen und es gehört nach wie vor zu den grausamsten TATsachen einer sogenannten zivilisierten Gesellschaft. Es werden Mädchen von eigenen Familienmitgliedern, von nahen Verwandten sexuell missbraucht. Das ist oft die leidvolle Vorgeschichte von Frauen, die später in der (Zwangs-) Prostitution landen. Gerade in dieser „Parallelwelt“ besteht eine enorme Schieflage: In weiten Society-Kreisen wird darauf Bedacht genommen, dass der Ruf von Anwälten, Diplomaten, Politikern, etc. nicht ruiniert wird, sollte aufkommen, was sie an Mädchen und Frauen verbrechen. Dass dabei Frauen- und Kinderseelen und ihre Körper kaputtgemacht werden, stört dort offenbar niemanden. Was mitten unter uns im Dunkel existiert, will ich seit einigen Jahren, zusammen mit immer mehr engagierten Frauen und Männern über die Initiative „Der Kirche geht viel verloren, wenn Frauen nicht bald auf allen Ebenen mitwirken können.“ „Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde“ ans Licht bringen! Es ist unerträglich, was Kinder und Frauen mitmachen und es gibt keinen Aufschrei! Gottlob mahnt unser Papst das Engagement gegen Menschenhandel und Ausbeutung stetig und mutig ein! Den 8. Februar hat er zum internationalen Gebets- und Aktionstag gegen Menschenhandel ausgerufen.
Männerdomänen wollen von Männern erhalten werden, es ist eine Machtfrage und die unterscheidet sich im Wesentlichen nicht viel in Gesellschaft und Kirche.
Was ich allerdings klar zum Ausdruck bringen will: Ich bin weder männerfeindlich, noch stecke ich alle in eine „Negativ-Schublade“. Ich kenne genug Leute, die mit- und für Frauenrechte kämpfen, einer davon ist dankenswerterweise Abt Christian Haidinger, und mein Vater war es auch!
Zugleich muss ich gestehen, irgendwie kann ich die Debatte darüber schon fast nicht mehr hören! So viel Kraft und Energie in etwas zu stecken, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, finde ich absurd. Als Oberösterreicherin kann ich es mir nicht verkneifen, die frauenlose Landesregierung zu erwähnen. Ein Herr Landesrat vertritt die Frauen-Fragen … Nichts dagegen, wenn Männer für Frauen eintreten, aber Frauenanliegen heute können echt nur von Frauen vertreten werden.
Kein Grund für eine von Frauen getragene Männerkirche
Wir Frauen müssten einfach Taten setzen. Es gibt keinen Grund für Benachteiligung! Weder dort noch da. Es gibt keinen Grund, einer von Frauen getragenen Männerkirche weiterhin ihren Lauf zu lassen. Jesus würde sich im Grab umdrehen angesichts unserer endlosen Diskussionen, wäre er nicht auferstanden! Als leidenschaftliche SALVATORianerin bin ich ihm zutiefst verbunden und sein GEIST ist mutiger. Der Kirche geht viel verloren, wenn Frauen nicht bald auf allen Ebenen mitwirken können. Es könnte sein, dass eines Tages der Zug abgefahren ist – für beide. Und die nachkommenden Generationen haben zu einem Großteil zur Kirche, zu kirchlichen Vollzügen sowieso keinen Zugang mehr. Ich denke mir oft, wenn ich so manchen leeren Gottesdienst betrachte: Wie wird da in 20 Jahren gefeiert werden … und mit wem?
Wann werden wir – gemeinsam – einen Schritt weiter kommen, liebe Bischöfe? Mit Papst Franziskus und dem Hl. Geist sähe ich Chancen! Ob das einseitig männliche Festhalten an dem, wie es immer schon war, und sich felsenfest auf Jesus berufend, dass ER eben ein Mann war und nur Männer wollte, noch halten kann? Also, Jesus, so wie ich dich kenne und nun schon über viele Jahrzehnte mit dir in tragfähiger – inspirierender Beziehung lebe, wirst du sagen: Wann endlich wird es eine Öffnung geben, in den Männerköpfen, in meiner allumfassenden Kirche, in der Platz sein soll für ALLE, eben auch für Frauen in Weiheämtern?
Ich jedenfalls bin begeisterte OrdensFRAU, gestalte, wo es mir möglich ist, und „kämpfe“ für und mit den Frauen, die es bitter nötig haben.“
Die Eucharistieschwester Margaretha Tschische ist Oberin der Gemeinschaft in Herrnau und Pfarrassistentin in der Salzburger Gemeinde Rif. Foto: [rs]
Sr. MARGARETHA TSCHISCHE: „Ich glaube, die Kirche hat viele Frauen, vor allem jüngere, für immer verloren. Junge Theologinnen wechseln ihren Beruf, weil sie sich nicht mehr vorstellen können, in der Kirche zu arbeiten, weil sie das System, das Weiheamt nur auf Männer zu bauen, als permanente Kränkung erleben. Tatsächlich erlebe ich das oft gerade bei jüngeren Priestern, die sehr von diesem System leben und sich von da her definieren. Sie tun sich schwer mit der Mitarbeit von Frauen, sie empfinden das als massive Bedrohung, wenn sie mit Frauen konfrontiert sind, die sich in der Kirche engagieren. Das geht so weit, dass sie sogar darauf bestehen, Frauen müssten vom Altar Abstand nehmen; sie hätten dort nichts verloren. Das sei sein Metier, weil er stelle Christus dar.
Das ist traurig. Das ist eine Theologie, die nichts mehr mit heute zu tun hat. Viele Frauen lassen sich das nicht mehr gefallen und sagen sich: Nein, unter diesen Bedingungen habe ich kein Interesse, in der Kirche zu arbeiten; ich steige aus.
Die gesamte Diskussion müsste sich ändern
Die Folge: Inzwischen gibt es nicht nur einen Priestermangel, sondern auch einen extremen Laienmangel. Vor allem für die Mitarbeit in der Pastoral gibt es große Ängste und Vorbehalte. Wenn ich ehrlich bin, ich glaube, dass hier zum großen Teil der Zug abgefahren ist. Da müsste sich die gesamte Diskussion ändern. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Bewertung der Sexualität müsste überdacht werden. Es geht auch darum, freizustellen, ob Priester heiraten können. Es gibt so viele, die ihr Amt zurücklegen mussten, nur weil sie sich zu Frau und Kind bekannt haben. Wer im Zölibat, wer im Kloster leben kann und es möchte, okay. Klar ist, in der Folge müsste die Kirche mit Verheirateten anders umspringen als mit zölibatär lebenden Menschen. Mit Familie müsste die Bezahlung anders ausschauen, die Absicherung, etc. Das ist auch die Crux, denn theologisch gibt es eigentlich keine Gründe.
Es ist schlicht ein kirchengeschichtliches Problem. Und wenn man sich auf die guten, alten Zeiten zurückbesinnt, dann hat es manche Frauenämter gegeben, die später abgeschafft wurden. An eine Veränderung will man nicht denken; da kommt immer das Argument: Mit Blick auf die Gesamtkirche kann man das alles nicht ändern, weil es verschiedene Standards gibt. Aber ich denke, in diesem Punkt hat Papst Franziskus gute Anregungen gegeben, nämlich vor Ort die Regionalkirche und die Bischofskonferenzen zu stärken, damit sie Entscheidungen treffen, die vorort passen. Doch ich glaube auch, dass unsere Bischöfe noch gar nicht in der Lage sind, wahrzunehmen, was es eigentlich heißt, Mut zu haben. Da fehlt einfach etwas. Und ich bin mir nicht sicher, ob das noch zustande kommen wird oder ob man nicht einfach auf ein Wunder wartet. Tatsache ist: Statt dass die Kirche schaut, was brauchen die Menschen, welche Botschaft brauchen sie, was müssen wir tun, damit die Welt besser wird, damit mehr Liebe in die Welt kommt, hält sie nur an einem fest: am Strukturenkampf. Das Herumkreisen um hausgemachte Probleme. Der Heilige Geist hat hier viel zu tun. Da hilft es nichts, wenn die Männer die Maria hochhalten und meinen, damit ist die Frau vertreten. Das kann es nicht sein. Ich kenne viele Frauen, die in keine Domliturgie mehr gehen wollen, weil sie es nicht mehr aushalten, wenn sie eine ganze Riege Männer sehen und sie maximal vorkommen, wenn eine Frau die Lesung lesen darf – vielleicht. Und dann nicht einmal bei der Anrede vorkommt.
Ich kenne das auch von einer Ordenstagung; zwei Drittel der Kirche waren voll mit Ordensfrauen, doch sie sind mit keinem Wort angesprochen worden – nicht einmal bei der Begrüßung. Ich war schon während des Gottesdienstes so entrüstet, dass ich fast aufgestanden und gegangen wäre. Und wenn das noch ein Bischof ist, der sich an die Fahnen heftet, er sei offen für alles, aber wenn er blind ist für die konkrete Situation vor Ort, wenn er gar nicht wahrnimmt, wer eigentlich da ist, dann ist das tragisch. Das bedeutet nichts anderes als: Frauen, ihr seid unwichtig. Und Menschen merken sehr gut, ob man an ihnen Interesse hat oder nicht. Diese Menschen kommen dann halt einfach nicht mehr in die Kirche; das ist einfach so. Die Männer immer in der ersten Reihe – das ist ein Bild, das viele Frauen heute nicht mehr anschauen können. Für sie ist dieses Ausgegrenzt-Werden eine unglaubliche Provokation. Gleichzeitig glaube ich, dass vielen Männern in der Kirche gar nicht bewusst ist, was sie eigentlich auslösen bei den Frauen, welche Empfindungen sie verursachen in Zeiten wie diesen. Denn für viele Frauen ist das schlicht beleidigend. Letztendlich kann man denen, die trotzdem noch in die Kirche kommen und mitarbeiten, weil ihnen ihr Glaube wichtig ist, nur Respekt erweisen. Hut ab vor ihnen. Ich setze meine Hoffnung auf Papst Franziskus; ich bete da- rum, dass er doch noch ein paar Strukturen verändert, denn wenn keine Konsequenzen folgen, sind alle Gespräche hinfällig.
Wer ist die Kirche?
Die Frage muss lauten: Wer ist die Kirche? Sind es nicht alle getaufte Christenmenschen? Und wenn sich die Männer in der Kirche gegen Veränderungen sträuben, dann wird die Kirche auf Dauer verlieren. Denn der Jugend ist völlig egal, was die Kardinäle denken. Wenn es keine Diskussion und keine Auseinandersetzung gibt und keine Bewegung sichtbar wird, dann sind wir weg vom Fenster. Spannend wird es mit den vielen Flüchtlingen, die jetzt ins Land kommen. Ich bin neugierig, welche Veränderungen beim Frauenbild passieren werden, und ich bin überzeugt, da ist einiges an Sprengstoff drinnen. Denn eines ist klar: In diesem Bereich muss ein Bewusstseinswandel passieren. Das fängt schon an bei der ungleichen Bezahlung im Job bis hin zur Werbung, die oft mit sexistischen Elementen arbeitet. Vielleicht kommen jetzt aus dieser Richtung Impulse auf unsere Gesellschaft zu, um sich zu fragen, welches Frauenbild vermitteln wir tatsächlich. Und die nächste Frage ist, wie wird die Kirchenleitung mit dieser Herausforderung umgehen?
Bei immer größer werdendem Priestermangel wäre es schön, wenn die Oberin die Möglichkeit hätte, mit ihren Schwestern eine Messe zu feiern und diese gültig wäre. Es wirkt schon sehr fremdbestimmt. In einer gemischten Gemeinde ist es nicht so offensichtlich; in einem reinen Frauenorden schon.
Ich denke mir, es kann nur von Vorteil sein, wenn sich immer mehr Frauen, die in der Kirche arbeiten, kritisch äußern. Dass sie sich trauen, laut zu sagen, was sie stört. Denn die Kirche braucht das gemeinsame Suchen, Ringen und Gestalten, um die Wandlung in die Zukunft vollziehen zu können. Die Geistkraft Gottes möge uns dabei helfen.
Aus ON 2/2016: Das ganze Heft lesen Sie hier.
[rs]