Sr. Maria Judith Tappeiner: Für eine Kultur der Pause
„Wir wissen von vielen, vor allem kleinen Unternehmen, wie wichtig für sie ein wöchentlicher regelmäßiger Ruhetag ist. Auch sie möchten – wie auch die hunderttausenden Angestellten im Handel ein Stück Zeitwohlstand und Lebensqualität genießen“, sagt Gabriele Kienesberger, Koordinatorin der „Allianz für den freien Sonntag Österreich“. "Das wichtige Thema Sonntag im Sinne von Zeitwohlstand und Lebensqualität geht die ganze Gesellschaft an." Und weiter: "Deshalb werden wir uns einbringen.“
Stimmen für einen freien Sonntag
Sr. Maria Judith Tappeiner, Regionalleiterin der Regionalkonferenz der Frauenorden der Erzdiözese Wien und der Diözese Eisenstadt:
"Für eine Kultur der Pause, der Unterbrechung des Alltags, des Feierns, des Aufatmens und gegen eine Gesellschaft, in der jederzeit alles zu haben ist. Sonn- und Feiertage sind unverzichtbare Werte in unserer Gesellschaft. Sie sind ein hohes Kulturgut im Dienst der Gemeinschaft. Der Mensch braucht diese Unterbrechungen des Alltags um zur Ruhe zu kommen und dadurch wieder neue Kraft zu schöpfen. Niemand kann ununterbrochen Alltag leben. Dies gilt für alle – auch für Touristen. Es geht um die Bewahrung von Werten menschlichen Lebens.
Es gibt Menschen, die auch am Sonntag beruflich tätig sein müssen. Für den Städtetourismus in Wien sehe ich jedoch keine Notwenigkeit die Geschäfte auch am Sonntag offen zu halten.“
Gerhard Zach, Buchhandlung HERDER:
„Den Sonntag und seine über ein Leben lang lieb gewonnen Rituale, lasse ich mir wegen eines ohnehin ungewissen Umsatzzuwachses nicht nehmen. Zumal alle bisherigen Änderungen der Öffnungszeiten nur ein Verlagerung, nicht aber auffällige Zuwächse gebracht haben. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Einkaufszentren vor den Städten eine solche Regelung einspruchslos akzeptieren würden. Und dann wäre der Sonntag sehr schnell ein gewöhnlicher Arbeitstag. Wann werden wir endlich verstehen, dass mehr Geld nicht unbedingt mehr Lebensqualität bedeutet? Wann hören wir auf, alles wirtschaftlichen Interessen zu unterwerfen?“
Klaus Werner-Lobo, Autor „Schwarzbuch Markenfirmen“:
„Eine Sonntagsöffnung für die Ketten der Markenfirmen und Konzerne nützt nur den globalen Profiteuren der Missachtung von Arbeitnehmer_innenrechten auf Kosten von Mensch, Umwelt und Demokratie. Und sie schadet nicht nur jenen Beschäftigten, die aufgrund immer prekärer werdender Lebensverhältnisse kaum eine Wahl haben, sondern uns allen, die wir uns nicht rund um die Uhr, sieben Tage die Woche dem Konsumwahn unterwerfen wollen."
Doris Pettighofer, Plattform für Alleinerziehende (ÖPA):
"Im Handel sind überwiegend Frauen beschäftigt. Oft sind diese Alleinerziehend. Gemeinsam Zeit mit den Kindern zu verbringen, einen Museumsbesuch oder Ausflug mit den Kindern zu machen, ist für diese Beschäftigten schon jetzt eingeengter möglich. Viele arbeiten an Samstagen und oft bis in die Abendstunden.
Die ÖPA sieht die Einführung der Tourismuszone und somit die Erweiterung der Öffnungszeiten auf den Sonntag sehr kritisch. Vor allem gibt es in der Debatte kaum Überlegungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Qualitätsvolle Kinderbetreuung für den Sonntag zu gewährleisten, ist auch in Wien keine Selbstverständlichkeit und muss von Familien selbst, meist im informellen Bereich organisiert werden. Das trifft wieder verstärkt alleinerziehende Familien.
In einer immer hektischer werdenden Zeit ist es notwendig, Strukturen und Rituale einzuhalten und einen freien Sonntag zu garantieren, an dem es einfach etwas ruhiger ist, als an den Werktagen. Zeit für gemeinsame Familienaktivitäten, für Freundschaften oder einfach einmal für sich selbst zu haben, ist Basis für eine menschenfreundliche Gesellschaft und sozialen Zusammenhalt.“
Kurt Kostron, Buchhändler in Wien:
"Ich bin gegen die Schaffung von Tourismuszonen in Wien, weil sich damit das Verkehrsaufkommen deutlich erhöhen würde und letztlich die halbe Stadt nicht nur an sechs Tagen unterwegs ist, sondern auch noch am siebten Tag. Bei begrenzten Tourismuszonen würde es ja nicht bleiben und es würden schließlich nur die großen Einkaufszentren begünstigt werden“.
Oberkirchenrätin Hannelore Reiner, Evangelische Kirche A.B.:
"Wien verliert an Charme und an Besonderheit, wenn nun, wie in allen anderen Städten auch, sonntags die Geschäfte geöffnet haben sollen. Gerade Wien ist berühmt für seinen besonderen Charakter, seine langsamere Lebensart - das alles geht verloren, wenn unsere Hauptstadt so wie alle anderen Metropolen sonntags geöffnet hat. Die Innenstadt braucht keine geöffneten Geschäfte, die ja überall gleich sind. Das bringt nur dasselbe Geschiebe und Gedränge wie überall sonst, und die Stadt mit ihrem Charme bleibt auf der Strecke."
P. Alois Riedlsperger, Jesuit, Sozialwissenschafter und Sozialethiker:
„Statt einer weiteren Ausdehnung von Sonntagsarbeit brauchen wir mehr Achtsamkeit füreinander und die Entwicklung eine Kultur der Genügsamkeit. Dabei geht es um ein gutes Maß – dazu gehört wesentlich ein gutes Maß an Zeitwohlstand und Lebensqualität. Dazu gehört, auch einmal frei sein zu können von Erwerbsarbeit und Konsum. Der freie Sonntag ist eine Einladung, dem Leben auf die Spur zu kommen – individuell und in Gemeinschaft mit anderen. Was es heißt, gemeinsam zu feiern – das erleben wir jeden Sonntag in einer übervollen Jesuitenkirche im 1. Bezirk.“
Quelle Foto: Caritas Socialis
[rs]