Verzicht und Askese ist Teil des säkularen Lifestyle
„Kann die Benediktsregel für die säkularisierte Welt überhaupt taugen, wo sie doch für Menschen aufgeschrieben wurde, die den Ruf Gottes spüren?“, fragt Abt Johannes Jung gleich zu Beginn das zahlreich erschienene Publikum. Wie jeder sein Leben ordnet, sieht Benedikt als Gnadengabe. „Das Maß muss jeder individuell finden und anwenden. Es geht nicht um ein allgemeines Maß, sondern um ein asketisches Maß halten. Das Maß hat mit Fürsorge, mit „zumessen“ zu tun.“ Jung sieht durch ungünstige Lebens- und Arbeitsverhältnisse ein anderes Maß. „Totaler Verzicht kommt heute nicht an, aber zum Beispiel nicht bis zum Übermaß essen oder trinken ist plausibel.“
Jeder das, was er braucht
Abt Jung greift ein Klischeebild auf, dass, wer heute in den Orden eintritt, den Willen an der Klosterpforte abgibt. „Benedikt hat gesagt: Wer Lust hat am Leben soll kommen. Ich möchte mich nicht kasteien oder dauernd fasten, sondern ich will leben. Und genau hier setzt das maßvolle Leben an. Das Weniger bring mehr Lebensglück, Lebensfreude und Freiheit.“ Jung geht auf Besitzlosigkeit ein: „Benedikt lehnt den Eigenbesitz der Mönche ab.“ Besitz ist außerhalb der persönlichen Verfügung. Alles Notwendige dürfen die Mönche von der Gemeinschaft erwarten. „Es bekommt nicht jeder das Gleiche, sondern jeder das, was er braucht.“
Was ist das Bessere
„Askese und Verzicht ist eigentlich ein inneres Loslassen, ein Einsehen, dass ich auf dieser Welt nicht alles sehe und bekomme.“ Jung sieht darin eine „große Befreiung von Stress, alles jetzt haben zu müssen“. Ziel aller asketischen Übungen ist: Das Herz weit machen, dem unsagbaren Glück Platz geben und die Liebe zu Gott entfalten. „Askese ist die Übung, die Schulung dorthin.“ Discretio (Unterscheidung) hält einen individuellen Spielraum offen: „Jeder spürt sehr gut: Das ist das Bessere.“ Gerade an der Sorge des Abtes wird sichtbar, dass bei einer Verfehlung mit größter Sorge vorzugehen ist. „Der hl. Benedikt rechnet mit der Schwäche." Außerdem: „Der Einzelne soll nicht in eine tiefe Traurigkeit versinken.“ Was ist Askese? Jung: „Es ist in erster Linie eine Gottsuche. Askese macht bereit, leer zu werden und offen zu sein. Askese ist der Weg und nicht das Ziel.“ Jung gibt im Gespräch Einblick in den konkreten Lebensalltag der Mönche. Gegenüber Schülern, die gerne fasten, betont Jung immer wieder: „Es geht um eine dauerhafte Befreiung von dem, was mich hindert, Gott zu suchen. Es geht um die Lebensform, die uns bleibend begleitet. Nicht nur für 4 Wochen, um dann wieder der Alte zu sein. Es geht darum, zum Biespiel Essen, Schlaf oder Medienkonsum in die Balance bringen. Tag für Tag.“ Jung betont in der Diskussion, „dass Fasten und Askese immer eine solidarische Komponente hat“.
Es geht um Reinigung
Isabelle Jonveaux sprach über die "säkulare Askese", die neue Form von Körperdisziplin in der heutigen gesättigten Gesellschaft: „Verzicht und Askese ist Teil des säkularen Lifestyle.“ Diese Techniken, wie das Fasten zum Beispiel, die immer modischer werden, sind vom klösterlichen Leben inspiriert. Die Gottsuche wurde durch die Selbstsuche ersetzt. Immer häufiger werden auch die Leute, die als Gast Zeit im Kloster verbringen, ohne dass sie sich als religiös verstehen. Aber: „Das Mönchtum bleibt immer irgendwie das Vorbild. Der rhythmisierte klösterliche Zeitplan wäre der gesündeste.“ Es geht immer um entgiften, reinigen auf allen Ebenen. Jonveaux: „Die Reinigung des Körpers führt zur geistigen Reinigung.“
[fk]