Engel: Orden von den pastoralen Aufgaben her neu denken
Engel betont in seinem Vortrag die „Jetztzeit der Orden“, die geprägt ist von „irritierender Ungleichzeitigkeit“. Fest steht aber: Diese unsere Zeit ist unsere Zeit. Zeitgemäße Erneuerung besteht in der ständigen Rückkehr zu den Quellen christlichen Lebens und zum Geist des Ursprungs einzelner Institute zugleich aber deren Anpassung an die aktuellen Zeitverältnisse. Engel: „Wir sind in einer Epoche eingetreten, die sich radikal von den vorherigen Epochen unterscheidet.“ Was charakterisiert unsere Zeit? „Die Sinnorientierung bisher geschah aus den Perspektiven Vergangenheit, Jetzt und Zukunft. Heute ist diese Sinnstiftung daraus verloren gegangen. Die Zeit ist aus den Fugen. Daraus ergibt sich diametral die Angst vor Wandel und die Angst vor Stillstand.“ Die technische Beschleunigung über das Web oder Hochgeschwindigkeitsangebote, die reale Beschleunigung der Lebensgewohnheiten wie beim Essen, die Beschleunigung des sozialen Wandels wie Familien- oder Beschäftigungverhältnissen und die Beschleunigung des kulturellen Wandels wie Wissensaneignung sind die „vier Beschleunigsfelder“. Neben der Beschleunigung begegnet uns in allen Bereichen der strukturelle Stillstand. Je mehr beschleunigt wird, umso stiller stehen wir. Engel mit Paul Virilio: „Wir leben im rasenden Stillstand“. Damit ist es nicht mehr möglich, aus Erlebnissen Erfahrungen zu generieren. „Die Gesellschaft wird erlebnisreicher und gleichzeitig erfahrungsärmer.“ Die Beschleunigungsgeschichten führen zu weitreichenden Erstarrungsverhältnissen. „Das ist die Zeit, in der wir unser Ordensleben hinein erneuern wollen.“
Von der pastoralen Aufgabe her denken
„Entschleunigungsinseln sind die Sehnsucht heutiger Menschen“, weiß Engel. Aber: Entschleunigungsprozesse haben langfristig bisher nie zur Verlangsamkeit geführt. Zwischen Beschleunigung und zukünftiger Katastrophe sieht Engel einen dritten Weg. Er zeigt anhand eines Bildes vom Maler Panini, der in einem einzigen Bild den Apostel Paulus im ersten Jahrhundert hinein in die Ruinen des 18. Jahrhunderts „staucht“. Das eschatologische Zeitverständnis („Ende der Zeit“) dazugenommen, verschmilzt historisch, theologisch und heute in die „Jetztzeit“. „Das Zusammenfallen verschiedener Epochen begründet die mystisch-politische Nachfolge in der Jetztzeit.“ Engel: „Den Orden stünde heute eine echsatologisch angeschärfte mystisch-politische Nachfolge gut an. Falls wir uns mehr trauen und zumuten, dann verabschieden wir uns von den großen Werken der glorreichen Vergangenheit, von Immobielien und Strukturen. Weg von der Sozialformorientierung hin zur pastoralen Aufgabenorientierung. Das bedeutet, nicht zuerst von den Institutionen, sondern von den (neuen) pastoralen Aufgaben her zu denken und zu handeln.“
Institut M.-Dominique Chenu Berlin
[fk]