Abtpräses Haidinger zwei Monate bei seinen benediktinischen Mitbrüdern in St. John’s in Minnesota USA
Was macht der Vorsitzende der Superiorenkonferenz und Abtpräses der Benediktiner Österreichs in den USA? Wo und womit verbringt er seine Tage?
Haidinger: "Nachdem mit Vollendung meines 70. Lebensjahres meine Amtszeit als Abt von Altenburg zu Ende ging, wollte ich mir eine etwas längere Auszeit gönnen. Gerade bei den ersten Überlegungen dazu kam mir eine Einladung meiner benediktinischen Mitbrüder von St. John’s / Minnesota – USA in die Hände zu einem zweimonatigen Intensivkurs am „English as a Second Language Institut“ an der hiesigen Universität. Nachdem ich seit meiner Gymnsialzeit an meinem „humanistischen Englisch“ litt (8 Jahr Latein, 6 Jahre Griechisch, 4 Jahre Englisch), vor allem in den letzten Jahren, wo ich vermehrt mit meinen Sprachmängeln konfrontiert wurde, kam mir diese Einladung gerade recht."
Wer macht bei diesem Kurs weiters mit?
Haidinger: "Unser Kurs ist ganz international zusammengesetzt. Ein Japaner, ein Philippine, ein Inder, ein Mexikaner. Sie alle sind Benediktiner. Drei Vietnamesen sind Zisterzienser. Alle sind um die 30 und ich wurde gleich bei der ersten Zusammenkunft als „Großvater“ apostrophiert. Der Kurs ist wirklich intensiv. Drei Stunden Unterricht am Vormittag. Beim Mittag- und Abendessen ist jedem von uns ein Konversationspartner zugeteilt, ebenso für eine Stunde am Nachmittag. Sonst teilen wir den Alltag der Mönchsgemeinschaft: Morning Prayer – Midday Prayer – Mass – Evenenig Prayer. Das monastische Stundengebet ist sehr schlicht und würdig gestaltet. Das trägt wohl auch wesentlich dazu bei, uns die Sprache vertraut zu machen."
Welche interessanten Beobachtungen und Erlebnisse nimmst du mit nach Österreich? Für dich? Für die Benediktiner? Für die Ordensgemeinschaften?
Haidinger: "Es ist eine ganz neue Erfahrung einmal über längere Zeit in einer großen Gemeinschaft mitleben zu dürfen. 130 Mönche gehören zur Abtei, etwa 70 leben und arbeiten hier im Haus. Ich erlebe hier eine wirklich lebendige Gemeinschaft, in der viele verschiedene Begabungen zu finden sind. Das Miteinander erscheint mir viel „lockerer“ als in den mir bekannten Gemeinschaften. Es wird viel miteinander gesprochen, in der Freizeit erlebe ich die Brüder beim Kartenspiel, beim Sport in den weitläufigen Anliegen, beim Schwimmen im See im Klosterbereich, in lebendig diskutierender Runde, - aber in diesen Wochen natürlich auch vor den Weltcupspielen im Fernsehen. Bei uns in Österreich habe ich oft den Eindruck, dafür keine Zeit mehr zu haben. Es schwebt so etwas wie 'gemeinsame Rekreation ist Pflicht oder Erholung fast sündhaft' über den Gemeinschaften. Auch meine Kursgemeinschaft lässt mich staunen. Der indische und der mexikanische Mitbruder kommen aus dem Benediktinerkloster „Christ in Desert“ (New Mexico). Das Kloster wurde vor genau 50 Jahren als streng komtemplative Kommunität gegründet. Heute sind dort um die 25 Mitbrüder aus 14 Nationen. Die drei vietnamesischen Mitbrüder kommen aus dem Ziterzienserkloster Dan Vien Phuoc, das auch noch eine sehr junge und wechselvolle Geschichte hat. Die erste Gründung in Nordvietnam war 1918, dann nach der Teilung des Landes ein Neubeginn 1953 in Südkorea und das das jetzt dritte Kloster wurde 1965 in Angriff genommen. Derzeit sind es 200 Mitbrüder, davon 30 Novizen und einem Durchschnittsalter von 40 Jahren. Dabei leben in Vietnam nur knapp 7% Katholiken."
Ordensleben ist geprägt von „Mitte und Rand“. Wie erlebst du das in den USA?
Haidinger: "Die Aufgaben hier in St. John’s sind vielfältig. Eine Highschool mit ca. 350 Schülern und Schülerinnen. Zusammen mit den Benediktinerinnen im nahen St. Josph führen die Mönche ein College und eine Universität mit zusammen etwa 4000 Studentinnen und Studenten. Fast alle leben und wohnen hier: die Frauen bei den Schwestern, die Männer hier in St. John’s. Dazwischen pendeln Busse. Dazu kommen ca 750 MitarbeiterInnen. Jetzt im Sommer gibt es viele Kurse und Seminare verschiedenster Art. Stets sind viel Gäste im Haus, die selbstverständlich auch zum Chorgebet eingeladen sind. Also viel action. Dennoch: die Mitte ist spürbar. Für mich vor allem an drei Beobachtungen:1. Nach den Fürbitten bei der sonntäglichen Eucharistiefeier weist der Vorsteher drauf hin, wofür heute um die persönlichen Gaben gebeten wird. An einem Sonntag im Monat gehört die Kollekte der Kirche, an den anderen Sonntagen für ganz konkrete und aktuelle Sozialprojekte, die auf dem jeweiligen Feiertext kurz beschrieben sind. Nach der Ankündigung ist dann Stille, während die Kollekte gesammelt wird. Die Gaben werden zum Altar gebracht, wo ein Vertreter der Mönchsgemeinschaft ein Kuvert mit der Gabe der Kommunität dazulegt. 2. In den täglichen Fürbitten beim Morning- und Evenening Prayer wird immer auch für ganz aktuelle Anliegen gebetet. 3. Das dreimalige Stundengebet und die Eucharistiefeier sind spürbar „Mitte“ im klösterlichen Alltag!"
Hast du Einsicht erhalten in die Entwicklung der Ordensfrauen in den USA, gerade auch im Verhältnis zur Weltkirche?
Haidinger: "Diese Frage hat mir auch die Präsidentin Sr. Beatrix Mayrhofer mitgegeben auf die Reise. Noch hatte ich nicht Gelegenheit, mit einer Ordensfrau direkt darüber zu sprechen. Aber ich stelle diese Frage unserer Englischprofessoren, die auch eine kirchliche Insiderin ist. Einige Tage später was es das Thema unsers Vormittagsunterrichtes. Kurz zusammengefasst habe ich folgendes mitbekommen: Es gibt in der amerikanischen Bischofskonferenz zwei Lager, konservativ – und etwas offener. Das „konservative“ Lager ist ziemlich einflussreich, ist vor allem fixiert auf zwei Themen: Abtreibung und Geburtenregelung. Die Ordensfrauen in den verschiedenen Orden betreuen viele Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen und haben aus ihrem Erfahrungsbereich natürlich auch einen anderen Zugang zum UMGANG mit diesen Themen. Von einem Teil der Bischöfe wird ihnen indirekt vorgeworfen, sie würden „Befürworter“ dieser Themen sein, was natürlich Unsinn ist. Ein einflussreicher Bischof dieser Richtung, Beschof Blair von Ohio, dürfte dann 2008 eine Anzeige bei der Kleruskongregagtion eingebracht haben. 2009 wurde dann von der Glaubenskongregation eine Untersuchung angekündigt und Bischof Blair damit beauftragt. Im April dieses Jahres gab es das letzte Treffen mit Kardinal Müller von der Glaubenskongregation. Was nun eigentlich den Schwestern vorgeworfen wird, kann eigentlich niemand sagen. Das dürfte der Status Quo sein, meinte die Lehrerin Sarah mit der Bemerkung dazu: „meine persönliche Meinung“
Gibt es aus deiner Sicht besonders interessante sozialpolitische und bildungspolitische Ansätze? Positiv wie negativ.
Haidinger: "Im Schulwesen sind viele Orden sehr engagiert! Als konkrete Beispiele kenne ich aber derzeit nur St. John’s und die Benediktinerinnen von St. Joseph – einer, wie mir scheint – außergewöhnlichen Zusammenarbeit, wie allein schon der Name des Kollegs und der Universität zeigt: „College of St. Benedict – St. John’s University“. Die Benediktinerinnen haben viele Krankenhäuser, Altenheime und andere Sozialeinrichtungen."
Und was es sonst noch zu sagen gibt für uns hier in Österreich?
Haidinger: "Es gibt ihn tatsächlich, den „American way of life“. Hier in St. John’s erlebe ich z. B. ein ganz besondere „Feierkultur“: Am 4. Juli war „Independence Day“, mit verschiedenen outdoor activities im Kloster wie grillen, verschiedene sportliche Aktivitäten – mitten drin der Abt, Bier und Icecream. Heute Abend feierten wir die Vigil zum Fest des hl. Benedict, anschließend für alle Mitfeiernden (es waren gewiss mehr als 100 Gäste auch beim Gebet) ein „Dessert“ im Kapitelhaus. Und morgen geht es weiter. Der Kurs ist anstrengend, aber sehr interessant gestaltet, er hat kaum etwas „schulisches“ und es werden immer aktuelle Themen behandelt als ob wir alle schon perfekt in der Sprache wären.
[fk]