Abtprimas Wolf: Franziskus hat Kirche bereits verändert
Papst Franziskus ist es in den Augen des weltweit ranghöchsten Benediktiners im ersten Jahr seines Pontifikats bereits gelungen, die Kirche menschlicher zu machen. Ein neuer Umgang sei eingezogen, "man hört die Gläubigen an, versucht Antworten zu geben auf ihre Fragen", so die Bilanz von Abtprimas Notker Wolf im Interview mit der "Kleinen Zeitung" (Sonntag). Skepsis und Pessimismus gegenüber dem Pontifex bewertete der Ordensmann als rein europäisches Phänomen.
Papst Franziskus habe von der katholischen Kirche "eine Angstglocke" genommen, betonte der aus Bayern stammende Ordensmann: "Die Gläubigen sind wieder froh." Dazu verkörpere Franziskus mit seiner Bescheidenheit jedoch auch ein Gegenstück zu Machtgerangel, Geldgier, Unehrlichkeit und zum Suchen einzig nach dem eigenen Vorteil. "Er stillt eine tiefe Sehnsucht nach Ehrlichkeit, Treue und Zuwendung, lässt die Menschen mit seiner Sprache und Gestik ein Stück von der selbstlosen Liebe Gottes erfahren", so der Benediktiner.
Dass der "erste Papst aus einem Kontinent der Armut" mit seiner Botschaft gegen Bequemlichkeit und Vergötzung des Geldes bei vielen auch anecke, sei laut Wolf "vorprogrammiert". Wer die Aussagen von Franziskus zu Engeln, Teufeln und Geistern als "fremd" klassifiziere, verschließe die Augen vor der Wirklichkeit Europas, wo in der Esoterik Engel boomten und Satanismus in der Jugend weit verbreitet sei.
Neuer Entscheidungsstil
Befremdet zeigte sich der Abtprimas von dem oftmaligen Vorbehalt und Schlechtreden des Papstes "vor allem nördlich der Alpen". Es sei eigenartig, dass alle von Franziskus rasche Entscheidungen forderten, gerade wo in der Kirche "sonst immer alle alles mitbestimmen" wollten. Franziskus nehme das Evangelium statt das Kirchenrecht als Maßstab, gehe mit Beratern statt alleine vor, "mehr noch, er befragt die ganze Kirche zu Ehe, Sexualität und Familie". Das sei doch "etwas ganz Neues, ein völlig neuer Stil".
Insbesondere mit seiner Absicht einer radikalen Rückkehr zum Evangelium ist Franziskus in Wolfs Augen ein "Revolutionär". Auch Benedikt XVI. habe dies gewollt, "nur brachte er das nicht so rüber", was auf den unterschiedlichen Werdegang der beiden Päpste zurückzuführen sei. Beide seien jedoch gleichermaßen in der Tradition verwurzelt, und so werde der Papst aus Argentinien "keine großen Veränderungen vornehmen".
Kurie kein Machtinstrument
Eindeutig wolle Franziskus vom Klerikalismus abkommen, dabei seien jedoch "oberflächliche Lösungen" wie eine vorschnelle Ordination von Frauen nicht seine Absicht. "Es geht ihm um die Würde der Frau und um Entscheidungspositionen innerhalb der Kirche für Frauen", so Wolf. Oft werde übersehen, dass etwa Generaloberinnen von Frauenorden "mehr Befugnisse als mancher Bischof" hätten.
Die Kurie sehe der Papst als zentrale Behörde, "jedoch nicht als Apparat, der andere beherrschen soll". Sicherlich sei sie nicht das "verlängerte Lehramt", wenngleich sie in letzter Zeit bisweilen diesen Eindruck erweckt habe. Zum Glück würden viele in der Kurie die Lage wie Franziskus sehen. "Da gibt es sehr bescheidene Leute, die wirklich dienen und den kurialen überbordenden Stil selbst ablehnen", so der Benediktinerprimas über persönliche Begegnungen mit Kurienmitarbeitern; viele davon fühlten sich durch Franziskus "selber befreiter".
Das gesamte Interview finden Sie hier: hier.
Quelle Foto: Ordensgemeinschaften in Deutschland
[rs]