Alfred Komarek: Ich sehe einen neuen Anfang
„Das beunruhigende Wort „noch“ habe ich heute öfter gehört. „Noch“ hat ein Ende vor Augen. Ich aber sehe einen neuen Anfang. Mit Orden verbinde ich eigenständiges Denken und Handeln. Entstanden sind sie aus einer Pionierhaltung. Orden sind mit hoher Kreativität in Leerräume und Schieflagen der Gesellschaft vorgedrungen. Gerade heute erleben wir eine Situation, die den Menschen einengt, ihn in Raster einteilt und in Zwänge stellt, ihn entfremdet. Es braucht Freiräume und die Erfüllung und Strukturierung dieser Freiräume für und mit den Menschen. Wer sonst als die Orden und die Kreativen sollen diesen Weg in die Zukunft markieren? Da sind neue Alianzen notwendig.“ Alfred Komarek, Schriftsteller und bekannter TV-Serienautor, umriss so im Rahmen der Podiumsdiskussion seinen Blick „von außen“. Als Wunsch für die Zukunft der Ordensgemeinschaften formulierte Komarek: „Die Wurzeln neu verstehen. Lust an Pionierarbeit und Kreativität entwickeln. Das braucht Tapferkeit und ermöglicht so, Altes neu zu verstehen.“ Und: „Je mehr geistige Öffnung stattfindet, umso leichter wird der Weg in die Zukunft.“
Begegnung, Beständigkeit und Werte
Landeshauptmann Erwin Pröll verwies in seinem Beitrag bei der Podiumsdiskussion, „dass es immer schwerer wird, Plausibilität für das (finanzielle) Engagement der öffentlichen Hand bei den Orden und Stiften zu finden“. Er persönlich ist von der Wichtigkeit und Bedeutung der Unterstützungen überzeugt. Für ihn stehen Orden und Stifte „für Beständigkeit in einer unbeständigen Welt, halten das kulturelle Erbe der Vorfahren hoch in einer Zeit, wo alle nur nach vorne schauen.“ Er sieht die Orden als „Anker für jeden Menschen in einer Zeit der Oberflächlichkeit, der Orientierungslosigkeit und des Tempos heute. Stifte und Orden sind Oasen der Selbstfindung.“ Auf Zukunft hin wünscht Pröll den Gemeinschaften eine große „inner Kraft, um eine stabile Orientierung zu sein.“ Angesichts der in der Gesellschaft dort und da aufkeimenden Spannungen sieht Pröll den Dialog mit anderen Religionsgemeinschaften in den Orden gut aufgehoben, und er bittet um diesen „Dienst der Entspannung“.
Die Kraft, sich immer wieder zu erneuern
„Es liegt eine Kraft im Innern der Klöster, sich selbst immer wieder zu erneuern“, betont Elisabeth Vavra von der Universität Salzburg, und sie spricht vom „Erfolgsmodell Leben im Kloster“. Durch die Ordensgeschichte bringt sie verschiedene Beispiele, wie Orden immer wieder sich selbst oder durch Neugründungen sich auf die jeweilige Situation hin erneuert haben. Vavra sieht die Ordensgemeinschaften als „Träger für neue künstlerische Bewegungen.“ Anläßlich des 900 Jahr Jubiläums werden KünstlerInnen zeitgenössische Interventionen am Stift vornehmen. „So gehen Stabiblität und Innovation in den Orden und Stiften meist Hand in Hand“. Für die Zukunft wünscht Varva den Orden, „dass sie die Fähigkeit zur Erneuerung weiterentwickeln.“
Rückzug auf bleibende Werte ist nicht Weltflucht
Der bekannte Sozialphilosoph und Politologe Norbert Leser hob hervor, „dass Orden eine wichtige Funktion als Rückzugsmöglichkeit auf Basis der bleibenden Werte haben. Das ist nicht Weltflucht.“ Außerdem ermutigt Leser die Orden mehr hervorzuheben, „dass sie als wesentlicher und eigenständiger Teil der Kirche demokratisch strukturiert sind.“ Leser sieht in den Orden die Suche nach der „guten Balance für alle Lebensbereiche im Alltag gegeben.“ Er weist ebenfalls auf die „Erneuerungsfähigkeit“ hin und sieht in der Zukunft im „Kampf gegen den flachen Materialismus“ die besondere Herausforderung. „Es braucht einen breiten geistigen Widerstand gegen Fehlentwicklungen, gerade auch im Bereich der Philosophie und Wissenschaft.“
Wie die Gelübde heute leben
„Wie können die Gelübde heute gelebt werden?“, fragt im Rahmen der Diskussion Propst Maximilian Fürnsinn vom Stift Herzogenburg und ehemaliger Vorsitzenden der Superiorenkonferenz der Männerorden in Österreich in die Runde. Darin sieht er die besondere Herausforderung auf Zukunft der Orden hin. „Das braucht ein Update in die heutige Zeit, wo auf anderm Gebiet fast idente Lebensformen gelebt werden. Die Sehnsucht nach einem gemeinschaftlichen Leben ist heute ganz groß.“ Fürnsinn verweist auf seine Teilnahme beim Kongress der solidarischen Ökonomie, „wo junge Menschen von der Lebensform der Orden hören und lernen wollten“. Er bringt den österreichweiten Blick ein, indem er von den 115 Frauenorden und 4.100 Ordensfrauen, von den 85 Männerorden und etwa 2.000 Ordensmännern spricht, die 30 Ordensspitäler und die 50.000 Ordensschüler anspricht. 65 % der denkmalgeschützten Objekte sind im Besitz und Auftrag der Kirche. „Mit Blick auf die neue Regierung und den neuen Minister fordere ich, dass die öffentlichen Förderungen aus den Fördertöpfen höher sein sollen als die Mehrwertsteuer, die wir an den Staat abliefern müssen.“ Fürnsinn betont, "dass Orden Freiraum schaffen für Gott und den Menschen, für Begegnungen, für Fragen nach Gott und die Welt."
Ethik und Wirtschaft sind keine Gegensätze
Aus dem Bereich der Wirtschaft haben Günter Geyer von der Wiener Städtischen und der ehemalige Generalanwalt Christian Konrad an der Diskussion teilgenommen. Sie betonten die Wichtigkeit von Wirtschaft und Ethik und darin die „praktische Vorbildwirkung der Orden“. Ebenso hoben sie hervor, „dass Orden aufgrund ihrer Unabhängigkeit ein Stachel im Fleisch der Kirche sein sollen“. Konrad wünscht den Orden Nachwuchs und „eine gute Hand im Rekruting“. Geyer hob hervor, „dass das Bewahren des Christlichen als Basis für eine neue Öffnung ganz entscheidend sein wird“. In seinem kurzen Schluss- und Dankwort hob Propst Berhard Backowsky hervor, dass zu einem Chorherren von Klosterneuburg gehört, „mit Freundlichkeit unter den Menschen sein. Man kann nur Optimist sein und lasst uns den Optimismus unter die Menschen tragen.“
900 Jahre Stift Klosterneuburg
[fk]