Barmherzige Brüder gehen im Krankenhaus auf Gewaltfolgen ein
Um Betroffenen von Gewalt zu helfen und das Bewusstsein dafür in Medizin und Gesellschaft zu stärken, betreiben die Barmherzigen Brüder in Wien seit Mitte 2012 eine eigene Opferschutzgruppe. "Wir haben erkannt, dass das Gewaltpotenzial in den Familien enorm hoch ist", begründete Reinhard Pichler, Gesamtleiter des Ordensspitals, in einer Pressekonferenz am 19.11.2013 diesen Schritt. An die Entscheidungsträger in Politik, Gesundheitswesen und Gesellschaft appellierte Pichler, mehr Ressourcen für Hilfen wie auch für Prävention zu schaffen. "Gewalt sollte schon in Kindergarten und Schule als wichtiges Thema wahrgenommen werden", so der Spitalsleiter.
Der richtige Umgang mit Gewaltfolgen will gelernt sein
Bereits seit 2011 sind Spitäler eigentlich zu Opferschutzgruppen – das heißt interdisziplinären Teams aus Medizin, Psychologie und Pflege - verpflichtet. Der Vorgabe sind bisher aber österreichweit erst wenige Krankenhäuser nachgekommen, unter anderen jene der Barmherzigen Brüder. Die bestmögliche Versorgung der von psychischer und sexueller Gewalt Betroffenen sowie auch Hilfestellungen für die eigenen Mitarbeiter, die damit konfrontiert sind, seien dabei im Vordergrund gestanden, gab Pichler an. "Unter den 130.000 Patienten, die jährlich in unsere Ambulanz kommen und hier auch ohne Versicherung kostenlos versorgt werden, sind auch zahlreiche Gewaltopfer. Wichtig ist es hier, die Situation richtig einzuschätzen, den Routinebetrieb zu unterbrechen und mit der nötigen Sensibilität adäquat Hilfe zu leisten."
Personal besucht Fortbildungen in der Freizeit
Seit dem Start der Opferschutzgruppe würden Gewaltopfer zuverlässiger erkannt, erklärt die diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester Petra Lemke, selbst Mitglied des fünfköpfigen Opferschutz-Teams. "Die Mitarbeiter werden mutiger, Gewaltbetroffene als solche zu behandeln, ihre Wunden zu dokumentieren und Beweise zu sichern. Früher hat man sie meist nur in die Unfallabteilung abgeschoben." Hohes persönliches Engagement sei neben Affinität zum Thema für diese Arbeit jedoch notwendig, was auch Krankenhausleiter Pichler bestätigt: Fortbildungen des Personals würden aufgrund knapper Budgets bisher vor allem in der Freizeit geschehen, wobei jedoch eine Ausweitung des Schulungsangebots auf das gesamte Klinikpersonal geplant sei.
Spurensicherung am verletzten Körper
Wie notwendig diese Arbeit ist, betonte die Wiener Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich: "Ärzte und Pflegekräfte müssen künftig besser als bisher gewaltbedingte Verletzungen erkennen, sie sensibel ansprechen und therapieren, die Opfer den Beratungseinrichtungen zuweisen, zugleich jedoch auch erkennbare Beschwerden gerichtsverwertbar dokumentieren." Ein vierseitiger und kleinformatiger Dokumentationsbogen, der soeben von Ärztekammer und Innenministerium erstellt wurde, soll künftig zu einer raschen und präzisen Spurensicherung beitragen, zudem seien auch Leitfäden für den medizinischen Alltag ein wichtiger Schritt in Richtung Qualitätssicherung und Betroffenenhilfe.
Barmherzige Brüder arbeiten mit autonomen Frauenhäusern zusammen
"Wichtig ist in der Opferhilfe, dass sich alle Mitarbeiter darauf verlassen können, dass die jeweilige Berufsgruppe ihre Aufgabe optimal erfüllt - Polizei, Justiz und niedergelassene Ärzte ebenso wie Hebammen und Psychotherapeuten", erklärte Maria Rösslhumer vom Verein "Autonome Österreichische Frauenhäuser", mit dem die Barmherzigen Brüder kooperieren. Professionisten bräuchten keine "Gewaltexperten" sein, benötigten jedoch Sensibilität für das Thema und Kenntnis der verschiedenen Einrichtungen, damit nahtlose Zusammenarbeit gelingt, so Rösslhumer. Wichtig wären entsprechende Schulungen aller im Gesundheitswesen Beschäftigten, wie diese derzeit bereits bei der Polizei existierten.
Um Angebote wie die Frauenhelpline 0800 222 555 bekannter zu machen und die Bevölkerung für das Thema Gewalt zu sensibilisieren, gibt es am Freitag, 22. November ab 17.30 Uhr im Wiener Schikaneder-Kino eine "Filmnacht gegen Gewalt an älteren Menschen", sowie am Sonntag, 24. November, eine Benefizmatinee im Wiener Volkstheater.
Quelle Text: kathpress
Quelle Bild: Barmherzige Brüder Wien
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