Reform oder Transformation: Wandel im Gesundheitswesen
Sr. Cordula Kreinecker, Generaloberin der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, konnte viele Gäste, darunter Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Generalvikar Prof. DDr. Mag. Severin Lederhilger OPraem, Sr. Cordis Feuerstein, stellvertretende Vorsitzende der ARGE der Ordensspitäler und Dr. Roland Siegrist, Präsident der Diakonie Österreich, begrüßen. Referenten waren Prof. Dr. theol. Klaus Baumann und Prof. Dr. Reinhard Busse aus Deutschland, Matti Leijon aus Schweden, Dr. Nikitas Kanakis aus Griechenland, Dr. Günther Loewit und Mag. Dr. Stephan Schulmeister aus Österreich.
Zu viel und zu wenig
Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit im Gesundheitswesen, zu viel und zu wenig an medizinischer Behandlung, Reform oder Transformation, Kollaps des Gesundheitswesens mit sozialer Verelendung und Lösungsansätze, um in Europa das bisherige Sozialwesen erhalten zu können: das waren die Hauptthemen des internationalen Kongresses der OÖ Ordensspitäler. Ziel müsse es sein, weniger Patienten zu haben, wohlgemerkt in den Wohlstandsländern Europas, waren sich Busse und Loewit einig. Kritisiert wurde ein Zuviel an Untersuchungen und häufig nicht notwendiger Anwendung medizinischer Hochtechnologie, nicht notwendiger Behandlungen, Übermedikation und vor allem die Häufigkeit stationärer Krankenhausaufenthalte, wo Österreich europaweit führend ist. Daher empfiehlt Busse zu schauen, ob man nicht weniger Krankenhauskapazität gemessen an Betten bekommt, aber mit der gleichen Anzahl von Ärzten und Pflegepersonal wie bisher, die dafür dann besser die dann geringere Zahl an Patienten behandeln könnte.
Lebensqualität gegen Lebenserwartung
Oder wie Loewit meinte, dass es Ziel sein muss, Behandlung im eigentlichen Sinn wieder mehr Bedeutung zu geben. Es werde nämlich zu wenig auf die Lebensqualität und zu viel auf die Lebenserwartung nach Jahren gesehen. Die Ursachen der medizinischen Überbetreuung – in Deutschland werden etwa jährlich Medikamente im Wert von 13 Milliarden Euro vor Gebrauch weggeworfen – sind vielfältig. Eine Hauptschuld liegt bei der Pharmaindustrie trotz ihrer großen Verdienste und der Wissenschaft, die ständig neue „Kranke“ schafft, etwa durch Änderung der Soll-Werte, z.B. beim Blutzuckerspiegel. So werde das Bedarfsdenken bei der Bevölkerung immer mehr gesteigert. Im sozialen Musterland Schweden haben vor allem Gerechtigkeit und Prävention im Gesundheitswesen einen hohen Stellenwert. Es dürfen nicht die in einer Gesellschaft ohnehin schon Benachteiligten nicht noch einmal durch ungleiche Zugänge zum Gesundheitswesen benachteiligt werden. Hauptziel in Schweden ist aber die Beseitigung von und Verbesserungen bei sozialen, ökonomischen, kulturellen und bildungsmäßigen Ungleichheiten, denn diese bedingen langfristig ein hohes Risiko für Erkrankungen. Daher gibt es in Schweden, sehr stark auch regional, viele Netzwerke zur Gesundheitsförderung und -bildung, an denen 70 bis 80% der Spitäler beteiligt sind. Ein zu den europäischen reichen Ländern völlig anderes und düsteres Bild zeichnete der griechische Arzt Nikitas Kanakis. Hier steht schlicht das Gesundheits- und Sozialwesen vor einem Kollaps. Krankenhausbudgets werden drastisch eingeschränkt, 40% der griechischen Bevölkerung haben keinen Zugang mehr zum öffentlichen Gesundheitswesen.
Internationaler Vergleich
Während es bei uns Überbehandlung gibt, gibt es in Griechenland viel zu wenig Medikamente, keine Impfungen für Kinder, keine vorgeburtliche Betreuung oder Behandlung in Spitälern nur gegen Barzahlung. Kanakis bittet daher um Barmherzigkeit und eine europäische Solidarität. Was Stephan Schulmeister mit der Notwendigkeit einer neuen anteilnehmenden Politik in Europa unterstreicht. Diese sei notwendig, um weitere soziale Verelendung zu verhindern. Reine Sparpolitik brächte nur eine Verschlimmerung. Das neoliberale Wirtschaftssystem mit seinem ungehemmten Gewinnstreben und den Spekulationen sei gescheitert. Die Aussage „Der Sozialstaat ist zu teuer“, ist völlig falsch, so Schulmeister. Schuld an der Misere sei nämlich die globale kapitalistische Spielanordnung der Marktwirtschaft. Unabdingbar sei deshalb eine vollständige Systemänderung. Klaus Baumann meinte, dass trotz der Bedeutung der Ökonomie diese immer zuerst den Menschen dienen müsse. Ein Weg dorthin vor allem auch in den Ordensspitälern ist, dass die christliche Caritas, die dienende Liebe an den Kranken, systemisch auf allen Ebenen eines Spitals wirken müsse. Glaubhaft ist nur die Liebe. Gerade für kirchliche Einrichtungen gilt diese Kurzformel ganz besonders. Sendung im Dienst der Liebe heilt Leib und Seele.
Fotos und Text: OÖ. Ordensspitäler Koordinations GmbH / marschal pr
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