Aber sie finden das Leben nicht
Wie gehen Menschen mit der Natur um, wie gehen sie mit anderen Menschen um, wie erreichen sie wirtschaftliche Dauerhaftigkeit? Das sind Kernfragen, wenn es um das Thema „Nachhaltigkeit“ geht. Rund um diese Fragen drehte sich ein zweistündiges Gespräch im ORF-Radiokulturhaus am Mittwoch, 7. November 2013. Zum Gespräch geladen hatte ORF-Redakteur Johannes Kaup vier Ordensleute als Expertinnen und Experten für nachhaltiges, bleibendes Arbeiten und Wirtschaften. Am Podium trafen sich die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, Sr. Beatrix Mayrhofer, der Vorsitzende der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, Propst Maximilian Fürnsinn, der österreichische Benediktiner-Primas Abt Christian Haidinger und die Provinzoberin und Steyler Missionsschwester Sr. Magdalena Eichinger. Dazu kam Günter Bergauer vom Bankhaus Schelhammer&Schattera, das die Veranstaltung unterstützte.
Keine Nachhaltigkeit ohne internationalen Ausgleich
„Viele Menschen haben vieles, aber sie finden das Leben nicht“, fasst Propst Maximilian das Lebensgefühl im Europa des 21. Jahrhunderts zusammen. Orden können zeigen, wie man eine Balance findet im Leben. Balance auch weltweit. Denn die Umverteilung zwischen Überfülle und Mangel funktioniert nicht und führt zu großen Spannungen. Provinzoberin Sr. Magdalena Eichinger, die einem weltweit agierenden Orden angehört, sagt dazu, sie brenne die globale Ungerechtigkeit. „In unserer Arbeit in 40 Ländern kommt die Ungerechtigkeit ganz nah an uns heran. Ich schäme mich, dass es uns in Österreich so gut geht, weil wir auf Kosten anderer leben. Dazu gehören zum Beispiel unfaire Rohstoffpreise und die Überschuldung von Ländern in Schwierigkeiten.“ Abt Christian Haidinger von Stift Altenburg im Waldviertel ergänzt die globale Perspektive der Nachhaltigkeit um die regionale Wirkung. Ziel des menschlichen Wirkens und Arbeitens soll in jedem Fall das „gute Leben“ der Beteiligten sein. Das kann eine Ordensgemeinschaft auch im Wirkungskreis der eigenen Wirtschaftsbetriebe und Angestellten vorleben.
Die Kraft liegt in der Unterbrechung
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist auch im Bereich der Klöster erst wenige Jahrzehnte alt. Die Klöster als solche sind aber wesentlich älter, was von ihrer Nachhaltigkeit zeugt. „Als ich in Kremsmünster eingetreten bin, feierten wir gerade das 1.200-Jahr-Jubiläum“, erinnert sich Abt Christian. Das Wichtigste für die Stabilität des Lebens ist nach ihm nicht die Wirtschaft, sondern die Gottsuche. Der heilige Benedikt rät, Ehrfurcht vor Dingen und Menschen zu haben. Und dem Gottesdienst nichts vorzuziehen. Aus ökonomischer Sicht ist Beten aber nicht effizient, so ein Einwurf des Moderators Johannes Kaup. „Ich schöpfe Kraft aus den Unterbrechungen des Tages“, erklärt Abt Christian das Geheimnis des rhythmisierten Lebens. Propst Maximilian ergänzt: „Die Schnelllebigkeit, der Eventcharakter der Gesellschaft wirft Menschen aus der Bahn.“ Gebet, Arbeit, Gemeinschaft und Erholung stehen in Ordensgemeinschaften hingegen in ständigem Wechsel. „Wir leben es nicht immer ideal, aber wir bemühen uns, immer wieder dahin zurück zu kommen.“
Von der Freiheit des Nichts-Brauchens
Die spirituelle Verwurzelung bewirkt nicht nur ein nachhaltiges, ertragreiches Wirtschaften, sind sich die Ordensleute einig. Sie zeigt sich auch im einfachen Lebensstil. „Wir leben in Gemeinschaft, und das einfach. Was von unseren Einkünften übrig bleibt, bekommen die, die es notwendiger brauchen als wir“, schildert Sr. Beatrix in kurzen Worten die Eigenschaften der Solidargemeinschaft im Kloster. Alle Einkünfte kommen in eine gemeinsame Kassa, aus der die Einzelnen ein Taschengeld erhalten. „Ich kann durch Wiens Straßen gehen und mir denken ‚Schön, die vielen Dinge, die es da gibt.‘ Aber ich brauche sie nicht!“ Armut ist eine Befreiung davon, alles Mögliche haben zu müssen, stimmt auch Propst Maximilian zu. Abt Christian erzählt als Beispiel, dass er nach 29 Jahren Dienst als Lehrer erst zu dem Zeitpunkt erfahren hat, wie hoch sein Einkommen war, als er um Pension ansuchen musste. „Aber ich hatte ja immer, was ich zum Leben brauchte. Man ist sehr frei, wenn man sich um das Geld nicht kümmern muss!“
Das Kleiner Werden der Ordensgemeinschaften bringt sie dazu, das Loslassen weiter zu vervollkommnen. Von großen Werken nehmen sie Abstand, erfinden sich neu in den Bedürfnissen dieser Zeit. Die Provinzoberin Sr. Magdalena sagt dazu im ORF-Radiokultuhaus: „Wir müssen viel loslassen. Auch darin geben wir ein Zeugnis für unsere Gesellschaft.“
Das Gespräch wird auf Ö1 in kurzen Auszügen gesendet in der "Erfüllten Zeit" am 17. November 2013, zwischen 7.05 und 8.00 Uhr.
[ms]