Verheiratete und Ledige bilden die Kommunität
„Es geht uns sehr gut. Wir sind gut ausgelastet. Jüngere Familien tun verschiedene Dienste. Wir wachsen langsam und vorsichtig. Wir haben mehrere Zweckbetriebe und sind auf unserer Hände Arbeit und auf Spenden angewiesen.“ So hört sich Ulrike Köhler am Telefon an, wenn man sie um acht Uhr morgens anruft und fragt: „Wie geht es Euch?“ Sie ist für die Seelsorgearbeit, Kloster auf Zeit und das Klostergut (Schulbauernhof, Obstgarten, Bauernmarkt) der ökumenischen Kommunität der Jesus-Bruderschaft zuständig. Köhler ist und war eine der treibenden Kräfte, dass Volkenroda nicht dem Untergang entgegenging, sondern sich „als Perle in der Ordenswelt entwickelt hat“. Dabei besitzt das 1131 gegründete Kloster die älteste, noch erhaltene Zisterzienser-Klosterkirche in Deutschland.
Foto: Klosterkirche, Gästehaus und Teil des Christus-Pavillons von Volkenroda. Foto: [fk]
Signale einer ökumenischen Kommunität
„Wer die einfache helle Klosterkirche betritt, findet in der Seitenapsis eine Marienstatue mit Kerzenlichtern. Der Morgengottesdienst ist eine Mahlfeier und die Brüder und Schwestern tragen ein Chorkleid. In unserer evangelischen Freiheit kennen wir das Bekreuzigen.“ Darauf verweist Köhler, wenn sie die ökumenische Dimension sichtbar machen möchte. Die Jesus-Bruderschaft ist eine ökumenisch ausgerichtete Gemeinschaft. Ihre Glieder kommen aus verschiedenen Konfessionen, behalten aber ihre Kirchenzugehörigkeit. Jeden Mittag beten sie für Einheit und Versöhnung im Volk Gottes. „Zu dieser Gebetszeit gehen die zölibatären Geschwister in Zivil, mitten aus dem Alltag heraus, denn beten, arbeiten und den Glauben bekennen liegt ganz nahe beieinander.“ Wer dort war, wird bestätigen, dass diese einfache, schlichte und schöne Art der Gebetszeiten die Seele nährt. Der geschwisterliche Umgang davor und danach bezieht die Gäste persönlich ein.
Zölibat und Ehe
Das Charakteristikum der Kommunität in Volkenroda ist, dass Ledige und Verheiratete die Kommunität bilden und ihr zeitlebens angehören. Die immer aktuelle Website schreibt dazu: „Zölibat und Ehe. Zwei unterschiedliche Wege der Jesus-Nachfolge. Und doch stehen die Familien, Schwestern und Brüder in einer gemeinsamen Aufgabe, jeder Stand in einem angemessenen Lebensraum.“ Derzeit bilden zwei Schwestern, zwei Brüder und einige Ehepaare die Kommunität. Während des Telefonats hört man im Hintergrund die Enkelkinder von Frau Köhler miteinander spielen. „Die Tochter bekommt wieder Nachwuchs und so muss ich heute als Oma herhalten.“ Das ist die Hintergrundmusik bei der Frage, wie dieses Zusammenleben von Zölibatären und Verheirateten gelingen kann: „Wir sehen uns als Ergänzung. Die Verfügbarkeit der Ledigen schätzen wir sehr. Wir Verheirateten sind doch auch der Familie verpflichtet. Jede und jeder lebt seine Gabe, immer ergänzend. Diese Vielfalt in Einheit zu leben ist nicht immer einfach, aber sehr fruchtbar, wie wir hier erleben dürfen.“
Immer zwei leiten
Auf die Leitungsstruktur angesprochen, schildert Köhler die Grundpfeiler, die sich in der Kommunität entwickelt haben. „Von allen Mitgliedern wird gleichberechtigt der Klosterrat gewählt. Der Klosterrat bestellt zwei Personen in den Vorstand, und diese beiden Personen leiten das Kloster im Alltagsgeschäft.“ „Wir sind von der Einzelleitung entschieden abgekommen. Einer allein hat immer Einseitigkeiten. Macht kann auch verführerisch sein.“ Köhler erzählt, dass eine Person im Vorstand eher den wirtschaftlichen und die andere Person den inhaltlichen Aufgaben zugetan ist. „Wir trennen die geistlichen Bereiche nicht von den wirtschaftlichen. In der Verantwortung gehören beide Bereiche zusammen. Wenn Geistliches und Weltliches nicht zusammengeht, dann ist das bei uns noch nicht fertig. Dann braucht das noch Zeit, Beratung und Gebet.“
Menschen einladen und involvieren
Speziell werden junge Menschen eingeladen, eine Zeit in der Klostergemeinschaft mitzuleben. Die jeweilige Jahresmannschaft wohnt dabei in einer großen WG auf dem Klostergut. Jungs und Mädchen wohnen in Einzel- oder Doppelzimmern. Ein Jugendreferent begleitet sie durch das Jahr. Köhler spricht von ihrer schönsten Aufgabe im Kloster, wenn sie von der Einbindung der Einzelgäste, die im Rahmen Kloster auf Zeit hier sind, spricht: „Einzelgäste werden, wenn sie wollen, sehr gerne eingebunden in den Rhythmus der Arbeit und des Gebetes, denn in der normalen alltäglichen Begegnung liegt viel von Gott drinnen. Für unsere Gäste gibt es seelsorgerliche Gesprächstermine, aber das meiste geschieht, indem wir diese Leute mit in unseren Alltag nehmen. Das kann konkret heißen, dass Gäste mithelfen beim Baumpflanzen für die Streuobstwiese.“
Foto: Ulkrike Köhler, eine Initiatorin für den Wiederaufbau von Volkenroda, und Ferdinand Kaineder, "Stammgast" im Kloster. Foto: [fk]
Was zieht Leute an?
„Die Neugierde hat viele Menschen zu uns geführt“, weiß die 57-jährige Köhler, deren Mann im öffentlichen Forstamt arbeitet. Sie haben drei erwachsene Kinder. Die Klosteranlage war dem Verfall preisgegeben. Nach dem Mauerfall 1989 wurde durch die Initiative der Köhlers mit dem Wiederaufbau der alten Klosteranlage begonnen. 1994 war es möglich, dass Geschwister der Jesus-Bruderschaft aus Gnadenthal bei Limburg gewonnen werden konnten, gemeinsam mit Köhlers die gewaltige Aufgabe des Wiederaufbaus und der geistlichen Neubelebung anzugehen. Die vorwiegend atheistischen und nichtkirchlichen Leute aus der Umgebung wurden neugierig und kamen vorbei. Schnell entstand ein Netzwerk von engagierten Leuten, Freunden des Klosters. „Immer wenn wir nicht weiter wussten, kam jemand aus dem Freundeskreis und hatte die zündende Idee, die weiter half.“ So ist Volkenroda aus dem Segen Gottes und den Begabungen und der Hilfe von vielen Menschen aufgebaut worden und heute wieder ein Ort des Gebetes. Besondere Aufmerksamkeit hat das Kloster Volkenroda 2001 mit der Errichtung des Christus-Pavillons von der Weltausstellung EXPO2000 in Hannover bekommen. Damit wurde ein besonderer Akzent in die Klosteranlage gesetzt. Ein quadratischer Cubus von 24 Meter Höhe hat neue Möglichkeiten für Kunst, Kultur und Spirituelles ermöglicht und ist von Mai bis Oktober ein internationaler Magnet.“ Der 330 km lange Pilgerweg „Via Porta“ verbindet das Gründungskloster Volkenroda mit der Zisterzienser-Abtei Waldsassen in Bayern. Köhler weist auf die Wurzeln der Jesusbruderschaft hin, die in der Tradition von Ordensgemeinschaften und geistlichen Gemeinschaften wie die der Zisterzienser, der Jesuiten liegt und inspiriert ist von Impulsen aus den Werken Dietrich Bonhoeffers, Romano Guardinis und Martin Bubers. „Die Tür steht offen – das Herz noch mehr. Diesen Wahlspruch der Zisterzienser wollen wir hier offen leben.“
[fk]