Nur, wenn an die Wunde Luft kommt, heilt sie
Auch Verstorbenen kann man vergeben, das erklärt Sr. Melanie Wolfers im Hinblick auf die bevorstehenden Feiertage Allerheiligen und Allerseelen. Versöhnung mit dem anderen Menschen ist dann zwar nicht mehr möglich, aber man befreit sich selbst von alten Lasten, wenn Vergebung wirklich gelingt. „Hass bindet genauso wie Liebe“, sagt die Buchautorin. „Wenn man gekränkt ist, kaut man die Geschichte immer wieder durch – beim Zähneputzen, beim Warten an der Ampel…“ Gefühle und Erinnerungen können Gekränkte regelrecht gefangen nehmen, so die Theologin.
Verzeihen hat gesellschaftliche Relevanz
Außerdem besteht die Gefahr, dass man das erlittene Unrecht bewusst oder unbewusst an andere weitergibt. „Verzeihen ist also nicht nur Privatsache, sondern hat gesellschaftliche Relevanz. Werden wir frei von Bitterkeit, tun wir auch unserer Umwelt einen Gefallen.“ Das Freiwerden ist die schönste Seite am Vergeben. Dazu muss man sich jedoch zuerst eingestehen, dass man verletzt wurde. „Denn nur, wenn an die Wunde Luft kommt, heilt sie“, so Sr. Melanie Wolfers. Ein Blick auf die eigenen Anteile am Geschehenen kann genauso hilfreich sein wie die Frage nach den Gründen des Verhaltens des oder der anderen. Fest steht für Melanie Wolfers: „Es ist befreiend, Schritt für Schritt das Erlittene loszulassen.“
Melanie Wolfers, Die Kraft des Vergebens. Wie wir Kränkungen überwinden und neu lebendig werden. Verlag Herder 2013, Euro 14,99.
[ms]