Elastische Tradition war Thema der Ordenswerkstatt
"Die Studie beruht auf drei Einsichten, die ihr zugrundeliegen“, betont Novizenmeister P. Bernhard Eckerstorfer vom Stift Kremsmünser: „Erstens: Wir haben uns von der Magie der Zahlen verabschiedet. Es geht nicht um das Erheben von Zahlen (Eintritte, Anzahl, Wirtschaftszahlen usw), sondern um Werte, Einstellungen und Verhalten. Zweitens: Wir haben uns ebenso von der Vergangenheit als Norm und Wunschzustand verabschiedet. Es gilt nicht mehr: Die Zukunft ist dann gemeistert, wenn es wieder so ist wie in der Vergangenheit. Die Wörter „noch“ und „wieder“ zeigen dieses Denkmuster. Und drittens: Zum Kloster gehören nicht nur die Mönche. Das Stift oder eine Ordensgemeinschaft ist mehr als die Summe der Mönche.“ In die Untersuchungen (etwa 1.000 Einzelgespräche über 4 Monate) wurden neben den Mönchen auch die MitarbeiterInnen, die Oblaten, Freundeskreise, Gäste und Kooperationspartner des Stiftes miteinbezogen. Dahinter steht die Sichtweise, „das Kloster als Sozialraum mit Partizipation und Anschlußfähigkeit zu sehen und zu gestalten“.
Zeit der Umwälzungen und Transformationen
Eckerstorfer ging in seinem Impuls auf die Wichtigkeit der Hereinnahme von „weltlichem Knowhow“ ein: „Mit dem II. Vatikanischen Konzil kam ein Paradigmenwechsel, der sich erst allmählich durchgesetzt hat. Es gilt, das Mysterium in und mit der Welt zu entdecken. Dazu bedarf es der Hilfe der in der Welt Stehenden – gläubig oder ungläubig. Zeitgenossenschaft ist eine zentrale Metapher und meint hinhören und mitgehen. Die Methoden der Soziologie sind dabei eine große Hilfe, Denkformen und Lebensformen von Ordensleben zusammenzubringen.“
Woher kommt Bewegung?
Die Studie hat zu Tage gefördert, dass es praktisch keinen Unterschied in der Einschätzung von Durchschnittsmönch und Idealmönch gibt. Es gibt keine Spannung. Die Veränderungsbereitschaft ist sehr gering. Fast könnte man sagen: So wie wir sind, ist es ideal. Eckerstorfer: „Das kann gefährlich werden. Woher kommt Bewegung und Erneuerung? In der monastischen Tradition kommt sie immer von innen. Es ist deshalb wichtig, das Drinnen mit dem Draußen neu zu verbinden. Das bringt Innovation und Bewegung. Ebenso wichtig ist es, Zentrum und Peripherie zusammen zu denken und zu entwickeln. Das eine kann ohne das andere nicht sein. Ein Kloster oder ein Haus als Sozialraum zu sehen, ist daher eine Chance zur Innovation. Damit kann etwas in Bewegung kommen. Die Veränderungsbereitschaft ist laut Studie nämlich sehr gering ausgeprägt.“
Werte und Individualisierung
In der ausgiebig geführten Werkstatt-Diskussion wurden weitere Punkte angesprochen. Eckerstorfer schlug anhand der Ergebnisse der Studie weitere Pflöcke ein: „Zentral geht es um Werte im Sozialraum Kloster, die Mönche, MitarbeiterInnen, Sympatisanten und Freunde antreiben und verbinden. In diesem Zusammenhang gilt es, Verschiedenheit und Ungleichzeitigkeit positiv zu gestalten und jeder „Milieuverengung“ entgegenzuwirken. Es ist nicht gut, wenn alle gleich denken und geprägt sind. Außerdem wird Ordensspiritualität nicht nur von den Gelübdeträgern weitergegeben und sichtbar gemacht.“ Zentrales Thema war auch: Wie lässt sich die immer weiter wachsende Individualisierung mit dem Ordensleben in Gemeinschaft verbinden? „Individualisierung müssen wir als Signatur unserer Zeit positiv sehen und in größerer Freiheit als früher vergemeinschaften“, schlägt Eckerstorfer vor. Diese Individualisierung ist bedroht duch übermäßiges Kontrollbedürfnis oder durch Beliebigkeit, wissen die TeilnehmerInnen aus Erfahrung. Es stellt einen Balanceakt dar, individuelle und gemeinschaftliche Aspekte immer wieder in positiven Einklang zu bringen.
Innere Müdigkeit
„Die Krise ist eine Sinnkrise im eigenen Haus.“ So fasste laut Eckerstorfer der Studienautor Michael Hochschild in einem Gespräch einen zentralen Aspekt zusammen. Er meinte damit, dass die Probleme der Ordensgemeinschaften und Klöster Probleme im eigenen Haus sind und nicht Probleme der Welt. Es ist kein Säkularisierungsproblem, sondern viel mehr ein Motivationsproblem und eine gewisse „innere Müdigkeit“. Die Studie fördert ebenso zutage, dass sich viele Ordensmitglieder „in die Arbeit flüchten“. „Das kann auch eine Flucht vor der Vertiefung der eigenen persönlichen Spiritualität sein“, stellt Eckerstorfer in den Raum und plädiert am Ende des Tages: „Zentral bleibt bei allen Studien und Methoden die persönliche Christusbeziehung und Christusnachfolge.“
Ordensentwicklung im Kardinal-König-Haus
Religion im Wandel / Michael Hochschild
[fk]