Ich bin am richtigen Ort
Mit ihrem Einsatz in Nordkasachstan wolle sie Menschen in einer mit vielen Problemen behafteten Gesellschaft Glaubensfreude vermitteln: Das hat Schwester Kunigunde Fürst, ehemalige Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, im Gespräch mit "Kathpress" dargelegt. Fürst ist nach ihrem Rücktritt Ende 2012 im Frühjahr 2013 in das zentralasiatische Land aufgebrochen, um hier in einem Sozial- und Schulprojekt ihres Ordens der Franziskanerinnen von Vöcklabruck tätig zu sein. "Ich denke mir oft, der Schritt war der richtige, und ich bin am richtigen Ort. Ich bin glücklich bei meiner Arbeit", so Sr. Kunigunde, die derzeit auf Heimatbesuch in Österreich ist.
Die Straße hört bei uns auf
Ihren neuen Arbeitsplatz - die Dörfer Tonkoschurowka und Korneewka in der Steppe Nordkasachstans - empfinde sie als "Ende der Welt": "Die Straße hört bei uns auf. Wer zu uns kommt, muss den Weg kennen, denn es gibt keine Hinweistafel." In Fürsts Einsatzorten gibt es seit den Zwangsumsiedlungen der Wolgadeutschen unter Stalin 1941 eine deutschsprachige Minderheit. Ab 1991, dem Jahr der Unabhängigkeit Kasachstans, begann der Berliner Priester Lorenz Gawol mit dem Aufbau katholischer Gemeinden in der Region. Dennoch sank die Zahl der deutschsprachigen Katholiken der Region stark, da sich viele Wolgadeutsche zur Auswanderung entschlossen. In Korneewka gründete Gawol die bisher einzige Schule Zentralasiens in katholischer Trägerschaft, die seit 1996 von den Franziskanerinnen von Vöcklabruck unterstützt wird. 230 Kinder vom Kindergarten bis zur Matura erhalten hier mittlerweile eine profunde Ausbildung und dreimal am Tag auch Verpflegung. Das Schulzentrum, zu dem ein Internat für 40 SchülerInnen, ein kleines Geschäft und eine Apotheke gehört, beschäftigt insgesamt 80 Menschen.
Schule ist keine Selbstverständlichkeit
Bildung sei in Kasachstan "keine Selbstverständlichkeit, sondern oft der einzige Türöffner", so Fürst: Wer gute Schulabschlüsse vorweisen kann, sei bei Firmen gefragt, könne studieren und auch ein Auslandsstipendium anstreben. Vier Absolventinnen aus Korneewka, die das Deutsche Sprachdiplom gemacht haben, bereiten sich derzeit an der Universität Wien mit dem Vorstudienlehrgang auf ein Studium vor. "Wir hoffen und arbeiten daran, dass sie eines Tages wieder nach Kasachstan zurückkehren und hier ihr Wissen einbringen." Die Ordensfrau und ihre MitarbeiterInnen bieten den Schülern und Schülerinnen - unabhängig von Religions- oder Familienzugehörigkeit – zusätzlich zum Lehrplan Deutsch- und Ethikunterricht sowie "mehr Augenmerk auf wirkliches Lernen, Selbstverantwortung und Stärkung der Kinder", wie die Franziskanerin betonte. Der Erfolg habe sich bereits eingestellt: Die Erfolgsraten bei der Zentralmatura gehören zu den höchsten im Land, weshalb Korneewka schon als "Elitenschule" gilt. Fürst: "Der Besuch der Schule festigt die Jugendlichen auch charakterlich, sie zeigen mehr Biss beim Lernen."
Nichts außer Landwirtschaft
Wichtig sei dieser Beitrag, da es speziell für die Dorfbewohner kaum Perspektiven gebe und weiterhin viele in die Städte abwanderten. "Am Land gibt es kein Handwerk, keine Industrie, nur Landwirtschaft - die Sowchose, die das Leben bestimmt", so Fürst. Hinzu kommen die langen, oft minus 40 Grad kalten Wintermonate von Oktober bis April. Satelliten-Schüsseln und Handys seien weit verbreitet, auch Computer, wobei das Internet jedoch oft nicht oder nur schlecht funktioniere. Dass es eine "marode Gesellschaft" sei, zeige sich u.a. am heruntergekommenen Zustand der meisten Häuser. Als "persönliche Aufgabe" bezeichnete die Oberösterreicherin deshalb, "Menschen von meiner Glaubensfreude zu vermitteln und von einer frohen und freien inneren Haltung." Viele an ihrem Einsatzort hätten fast durchwegs ein "missmutiges Gesicht, offensichtlich aus Bedrückung über die täglichen Probleme: Wie kann ich mein Leben meistern?"
Gute Vernetzung der Franziskanerinnen
Sie und ihre Mitschwestern würden von den Menschen "äußerst positiv, fast als Heilsbringer" gesehen und seien Zeichen für soziale Stabilität, so Fürst. "Bei Religion haben die Menschen große Ehrfurcht. Scheu vor uns gibt es nicht." Auch Umgekehrtes gilt, denn die Schwestern werden eingeladen, beteiligen sich aktiv am Dorfleben, vergeben Mikrokredite und starten Sozialkampagnen oder Freizeitaktivitäten für Jung und Alt. "Es ist uns wichtig, dabei zu sein bei dem, was das Leben der Menschen ausmacht. Auch wenn dies etwa die Feierlichkeiten zum 'Tag des Sieges' der Russen über die Deutschen sind."
In die Kirche zu gehen ist unmännlich
Die umliegenden Dörfer werden von Leopold Kropfreiter betreut, einem aus der Waldviertler Gemeinde Arbesbach stammenden Priester. Sr. Kunigunde: "Zu Sonntagsmessen in Korneewka kommen zwölf Leute, im Nachbardorf sind es 20. Wir sind eigentlich eine Basisgemeinde: Jeder kennt jeden, man hilft und unterstützt sich gegenseitig, trifft sich zum Bibelgespräch oder zum Rosenkranz". Alle Gottesdienstbesucher seien Frauen, denn "für Männer gilt es als Zeichen von Schwäche, in die Messe zu kommen", und selbst Jugendliche seien eher seltene Gäste. "Kirche ist jedoch nicht nur Gebetsort, sondern auch Versammlungs- und Treffpunkt, Ort zum Angehört-Werden, zum Auftanken, Freundefinden und Zeichen für soziale Stabilität. Kirche und Kinderspielplatz werden zudem im Dorf als Einheit wahrgenommen, und auch der Fußball ist sehr wichtig", so Schwester Kunigunde Fürst.
Abschiebungen "undenkbar"
Die 69-jährige Sr. Kunigunde Fürst, die zwei Jahrzehnte lang Generaloberin ihres Ordens und vier Jahre lang Präsidentin der Frauenorden war, hatte Ende 2012 für ihren Einsatz im Sozialbereich sowie im Schulwesen das Große Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen bekommen. An vielen auch innerkirchlichen Impulsen war die Ordensfrau federführend beteiligt - zuletzt etwa an der Gründung der "Solwodi"-Schutzwohnung in Wien für sexuell ausgebeutete Frauen oder beim Engagement der Orden gegen die Abschiebung von Asylwerbern. Die kürzlich vollzogene Abschiebung von acht der ehemaligen Votivkirchen-Flüchtlinge, für deren Anliegen sich Sr. Beatrix Mayrhofer, Fürsts Nachfolgerin als Präsidentin der Frauenorden, mehrfach stark gemacht hatte, habe sie selbst "überrascht", so Fürst. Sie sei bei ihrer Abreise nach Kasachstan fest davon ausgegangen, man würde für die Asylwerber einen humanitären Aufenthaltsstatus und einen Arbeitsplatz organisieren können. Die Abschiebung sei zutiefst "unmenschlich": "Ich habe gedacht, das gibt es ja nicht, wie man mit den Leuten umgeht."
Den gesamten Artikel finden Sie auf kathweb.
[ms]