Klosterbaupläne, Handschriften und Kunstgegenstände vor der Zerstörung bewahrt
120 Lastwagen mit Kulturgut – alten Büchern, Handschriften, Urkunden, Bauplänen, Gemälden und anderen Kunstgegenständen – waren im Oktober 1943 durch Kriegsgebiet südöstlich von Rom unterwegs. Alle haben ihr Ziel im Vatikan sicher erreicht. Grund für die Übersiedlung der unschätzbar wertvollen Kulturgüter des 529 von Benedikt von Nursia gegründeten Klosters Monte Cassino war die persönliche Entscheidung eines Oberstleutnants aus Wien, Julius Schlegel. Als Leiter einer sogenannten Instandsetzungsabteilung einer Panzerdivision war er über längere Zeit bei Rom im Einsatz, um Panzer der deutschen Wehrmacht zu warten. In dieser Position erfuhr er von strategischen Entscheidungen, die ihm klar machten, dass das altehrwürdige Kloster Monte Cassino in größter Gefahr war, mitten in die Kampfhandlungen zu geraten.
Kloster leergeräumt
Also entschied er sich, ohne den Plan mit seinen Vorgesetzten abzusprechen, Erzabt Gregorio Diamare von Monte Cassino zu einer spektakulären Aktion zu überreden: Der gesamte Kunst- und Kulturschatz des Benediktinerklosters sollte abtransportiert werden. Eine Entscheidung, die dem Abt alles andere als leicht gefallen ist. Schließlich erschienen ihm die Argumente Schlegels aber überzeugend, und er willigte ein. Perfekt organisiert und unter strengster Geheimhaltung begann die Evakuierung des Kunstgutes. „Jedes Stück wurde listenmäßig erfasst und gemeinsam vom Erzabt, Schlegel und dem Dolmetscher kontrolliert und verladen“, erinnerte sich Schlegels Adjutant, der mittlerweile verstorbene ehemalige Oberleutnant Hans Paul Raab in einer Gedenkschrift 2008. „Auf jedem LKW fuhren zwei Patres nach Rom mit, später auch Benediktinerinnen und Klosterschüler.“ Auch die Bewohner sollten ja in Sicherheit gebracht werden.
In Kriegen Kulturgut achten
Wenige Monate später, im Februar 1944, wurde das Kloster Monte Cassino bei einem alliierten Luftangriff dem Erdboden gleichgemacht. Schlegels eigenmächtige Entscheidung, die Kulturgüter in den Vatikan zu bringen, wurde von seinen Vorgesetzten respektiert. Die Benediktiner fühlten sich dem Wiener Oberstleutnant sehr zu Dank verpflichtet. Gerhard Sladek von der Österreichischen Gesellschaft für Kulturgüterschutz schreibt in der erwähnten Gedenkschrift von 2008, dass Schlegel „Zivilcourage, Risikobereitschaft und Verantwortungsbewusstsein“ gezeigt hat. Adjutant Raab formulierte die Erinnerung an Julius Schlegel zukunftsbezogen: „Mögen alle Völker in Zukunft von Kriegen verschont bleiben. Da aber dieser Idealzustand bisher nicht eingetroffen ist, sollten sich nachfolgende Generationen am Beispiel von Julius Schlegel auch in schwierigen Zeiten der Bewahrung jeglichen Kulturgutes annehmen.“
Kulturelles Gedächtnis für die Zukunft
Im Wiener Wertheimsteinpark, Döblinger Hauptstraße 96, erinnert eine Büste an Oberstleutnant Julius Schlegel. Hier wird am 9. August 2013 der Kulturgut-Rettungsaktion von Monte Cassino vor bald 70 Jahren gedacht. Zwischen der Eröffnung um 10 Uhr und einer anschließenden Kranzniederlegung wird Abtpräses Christian Haidinger an den Einsatz von Schlegel für die benediktinischen Kulturschätze erinnern. Aufgrund der geretteten Baupläne konnte das Kloster nach dem Zweiten Weltkrieg in ursprünglicher Form wieder aufgebaut und im Jahr 1964, sechs Jahre nach dem Tod Julius Schlegels, wieder eingeweiht werden. Heute sind die zahllosen Kunstschätze wieder an ihrem ursprünglichen Ort in Monte Cassino zu besichtigen.
Foto: Katrin Bruder
[ms]