Das Kapitel entscheidet
„Wir wollen unter den Frauen- und Männerorden die Gemeinsamkeit mehr fördern – gerade auch im Gegenüber zu den Diözesen“, meinte P. Voith gleich zu Beginn seiner Ausführungen: „Das mönchische Leben war durch die ganze Kirchengeschichte immer auch ein Auszug aus bzw. eine Korrektur der „Weltkirche“, weil es immer der Versuch ist, das Evangelium intensiv und konsequent zu leben.“ Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Wüstenväter im 4. Jahrhundert auf die entstehenden Mönchsregeln für gemeinsames Leben, auf die Korrektur der reichen und mächtig wirkenden Kirche durch die Bettelorden oder die vielen Ordensgründungen im 19. Jahrhundert aufgrund der sozialen Schieflagen. Das Kirchenrecht betont seit 1983 die Gleichwertigkeit aller Ordensgemeinschaften. Bei allen geschichtlichen, konstitutionellen und rechtlichen Unterschieden charakterisiert P. Voith die Orden als synodale und demokratische Gemeinschaften: „Das Kapitel ist das oberste gesetzmäßige Organ. Die Wahl einer Oberin oder eines Oberen ist die Gewähr dafür, dass die gewählte Person einen großen Rückhalt hat.“ In den Konstitutionen der Ordensgemeinschaften ist bei aller Unterschiedlichkeit immer genau geregelt, was wer mit wem beraten muss und wo Entscheidungen mit welchen Mehrheiten fallen müssen. Das trifft die Aufnahme in eine Ordensgemeinschaft genauso wie das Geld. Auch die Funktionsdauer in den Ämtern sind genau geregelt. „Heute sind de facto alle Funktionen zeitlich begrenzt. Ausnahme ist der Jesuitengeneral, der auf Lebenszeit bestellt ist“, erläutert der Redemptoristenprovinzial.
Das Zweite Vatikanum entdeckt die Synodalität
„Im Zweiten Vatikanischen Konzil wurden die demokratischen Vorgehensweisen wieder entdeckt und eingeführt. Bei dem vorher sehr oft verbreiteten autokratischen Verhalten der Oberen hat das auch geheißen, dass wir diese demokratische und synodale Haltung erst wieder einüben mussten. Communio, die Gemeinschaft steht heute im Mittelpunkt und ist das Wichtigste“, betont der 2. Vorsitzende der Superiorenkonferenz: „Dort hat auch der Gehorsam seinen Platz, der heute nie ein Diktat eines Oberen oder einer Oberin ist, sondern vielmehr ein Beraten und Werben für eine Aufgabe im Sinne des Ganzen des Ordenscharismas.“ P. Voith beschönigt nicht, indem er interne Parteiungen, die Generationenkonflikte und einen machmal auftretenden Altersatheismus als „faktische Probleme“ darstellt. Deshalb ist die jährliche Visitation der Oberen die Hauptaufgabe: „Wie geht es dir? Wie geht es euch miteinander? – sind dabei die Hauptfragestellungen.“ Es ist wichtig, dass mit diesen Vistitationen eine Außenperspektive zu einer Gemeinschaft dazukommt und P. Voith weiß aus seinen vielen Begleitungen als Exerzitienleiter und Gesprächspartner: „Es sind oft ganz kleine alltägliche Dinge, die den Leuten selber gar nicht mehr auffallen und doch eine gewisse Lieblosigkeit in die Gemeinschaft einziehen läßt.“ Mit Blick auf die weltkirchliche Ebene gibt P. Voith einen Einblick, wie das oft spannungsreiche Verhältnis von Bischofskirche und Ordenskirche „kreativ und mit Bedacht auf die Ordensautonomie“ gestaltet wird: „Die Orden haben eine Rechtsordnung, die ziemlich demokratisch ist und alle Mitglieder beteiligt. Trotz mancher Probleme haben die Orden genau deshalb in der Spannung von Beständigkeit und Innovation einen Weg durch die Jahrhunderte gefunden. Diesen Freiraum wollen wir uns nicht nehmen lassen, weil wir auch Freiraum geben wollen.“
[fk]