Beharrliche Gespräche mit Rom
Es war die erste große Zusammenkunft von leitenden Ordensleuten in Rom seit der Wahl von Papst Franziskus, dem ersten Ordensmann auf dem Stuhl Petri seit über 150 Jahren. Schon allein deshalb konnten die mehr als 800 Generaloberinnen aus 76 Ländern, die am Mittwoch, 8.5.2013 vom Papst empfangen wurden, mit erhöhter Aufmerksamkeit rechnen. Die Internationale Union der Generaloberinnen (UISG), deren 19. Vollversammlung am 7. Mai 2013 in Rom endete, stellt allerdings ohnehin eine beachtliche Größe in der katholischen Kirche dar: Der Verband repräsentiert insgesamt rund 700.000 Ordensfrauen.
Präfekt der Ordenskongregation beschwert sich über das Vorgehen des Vatikan
Für Aufsehen sorgte die Konferenz allerdings vor allem wegen der Kritik von Kardinal Joao Braz de Aviz, dem Präfekten der Ordenskongregation, am vatikanischen Umgang mit dem Dachverband der US-amerikanischen Ordensoberinnen. Er beklagte sich am Sonntag vor den Ordensoberinnen darüber, dass das vatikanische Vorgehen im Fall des unbotmäßigen Dachverbands "Leadership Conference of Women Religious (LCWR), dem seitens des Vatikans "theologische Mängel" vorgeworfen wurden, nicht mit ihm abgestimmt worden sei. Das wurde umgehend als Kritik an der Glaubenskongregation gedeutet, die nach einem langjährigen Dialogprozess eine Reform des LCWR angeordnet hatte und ihn im vergangenen Jahr unter die kommissarische Leitung des Erzbischofs von Seattle, James Peter Sartain, gestellt hatte. Eine Untersuchung hatte Abweichungen des LCWR von der kirchlichen Lehre beanstandet, etwa in der Haltung zu Abtreibung, Sterbehilfe und zu einer Priesterweihe für Frauen.
Vatikan dementiert Zwist der Kongregationen
Die Sache wirbelte so viel Staub auf, dass der Vatikan sich am Dienstag zu einer Klarstellung veranlasst sah: Es gebe keine internen Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit dem LCWR. Der Präfekt der Glaubenskongregation, der deutsche Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, und der Präfekt der Ordenskongregation, der brasilianische Kardinal Aviz, arbeiteten in der Angelegenheit eng zusammen, hieß es in einer Erklärung. Die zitierten Aussagen des Kardinals selbst freilich stellte der Vatikan nicht in Abrede.
Sentire cum ecclesia – Papst schöpft aus jesuitischer Spiritualität
Franziskus, der aus einem Orden kommt, der selbst keinen weiblichen Zweig hat, ging in seiner Ansprache vor den Generaloberinnen am Mittwoch nicht direkt auf die heikle Frage ein. Seine Ausführungen über Autorität und Gehorsam lasen sich jedoch vor der jüngsten Entwicklung wie ein Appell an die US-amerikanischen Frauenorden: Ordensleute müssten stets "mit der Kirche fühlen" und treu zu Lehramt, Bischöfen und Papst stehen, forderte er. Und: Die Oberinnen hätten die "gesunde kirchliche Lehre in der Liebe zur Kirche und im kirchlichen Geist" zu wahren. Selten hatte man den Papst bislang so nachdrücklich in einer öffentlichen Rede Kirchentreue einfordern hören. Freilich sagte er auch: Wahre Autorität bestehe im Dienst am Nächsten. Sie müsse stets verständnisvoll, helfend und liebend ausgeübt werden. Geschuldet war diese Aussage freilich wohl nicht allein der Entwicklung in den amerikanischen Frauenorden, sondern dem schon seit längerem feststehenden Oberthema der Vollversammlung.
Beharrliche Gespräche abseits der Medienöffentlichkeit
Die Präsidentin des Dachverbandes LCWR, Sr. Florence Deacon, will unterdessen über den Vorwurf "theologischer Mängel" ein beharrliches Gespräch mit Rom abseits der Medienöffentlichkeit. Das letzte entscheidende Gespräch hatte hinter verschlossenen Türen am Montag in Rom stattgefunden, in Anwesenheit von Ordenspräfekt Kardinal Aviz und Glaubenspräfekt Erzbischof Müller. Deacon gab danach keine Details preis. In ihrem Bericht über die "schwierige Lage" der Schwestern in den USA sprach sie von Missverständnissen im Vatikan und der Notwendigkeit des weiteren Dialogs. Die Ordensfrauen vertrauten auf die Aussage von Papst Franziskus, dass er "eine Reise der Brüderlichkeit, der Liebe und des Vertrauens" beginnen wolle.
Jeder Konflikt hat eine Geschichte
Am 15. April hatte Glaubenspräfekt Müller der LCWR-Spitze mitgeteilt, dass Papst Franziskus die Reformen im Dachverband, die Benedikt XVI. und der damalige Kongregationschef, der US-Kardinal William J. Levada, im Vorjahr verfügten, bestätigt habe. Im Übrigen erinnerte Müller an die Konzilsaussagen über die Aufgaben der Orden und betonte, dass alle Konferenzen von Ordensoberen unter der Aufsicht des Heiligen Stuhls stehen. Sein Dikasterium wolle die US-Ordensfrauen in dem Bemühen fördern, die Glaubenswahrheiten zu achten und die christliche Liebe zu stärken. An der Unterredung nahm auch der vom Vatikan mit der Leitung des Reformprozesses betraute Erzbischof Sartain von Seattle teil.
Offenes Gespräch zwischen US-Frauenordensvertreterinnen und Vatikanvertretern
Auch das LCWR-Statement zu der Begegnung mit Müller war knapp und diplomatisch ausgefallen. Das Gespräch sei "offen und frei" geführt worden. Die Nonnen der Mitgliedsorden beteten dafür, dass es "Früchte zum Wohl der Kirche" bringen möge. Zudem war der Termin am 15. April insofern delikat, weil zufällig ausgerechnet am Vortag Deacons Vorgängerin, Sr. Pat Farell, in Luzern den "Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche" entgegengenommen hatte.
US-Medien hatten vor einem Jahr berichtet, die Glaubenskongregation habe die amerikanischen Ordensfrauen wegen Positionen zu Lebensschutz, Abtreibung, Sterbehilfe und Weiheämtern für Frauen im Visier. Ferner habe Rom Äußerungen zum Feminismus und zur Homosexualität, aber auch zu Esoterik und New Age beanstandet. Der LCWR mit Sitz in Silver Spring im Bundesstaat Maryland gehören etwa 1.500 Oberinnen an. Sie repräsentieren 80 Prozent der 57.000 in den USA lebenden Ordensfrauen.
Quelle: kathpress-Hintergrundbericht von Thomas Jansen und Ferdinand Oertel
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