Bei euch soll es nicht so sein
Generaloberinnen leiten einen ganzen Orden, nicht nur eine einzelne Niederlassung. Dementsprechend groß ist die Verantwortung, die sie tragen. Verantwortung für Mitschwestern und MitarbeiterInnen, mehr oder weniger große Budgets, Gebäude, Wirtschaftsbetriebe, Schulzentren, Spitäler und viele andere Betriebe. Und dementsprechend hochkarätig waren auch die Vorträge, die jeden Vormittag bei der Generaloberinnenversammlung in Rom Impulse zum Thema Macht und Leitung gaben. Es handelt sich um einen weltweiten Managerinnenkongress. Und um die vielseitige Reflexion von Managementthemen aus dem Licht des Evangeliums. Sr. Franziska Bruckner von den Franziskanerinnen in Amstetten nimmt an der Generalversammlung der Generaloberinnen in Rom teil. Sie gewährt in ihrem elektronischen Brief einen unmittelbaren Einblick in die inhaltsreichen Tage in Rom:
„Die 5 Hauptreferate finden – außer am Eröffnungstag – am Vormittag statt. Der Leitungsdienst in Ordensgemeinschaften wird in den Referaten von verschiedenen Seiten beleuchtet.
"Barmherzigkeit statt Kontrolle" oder: die Kraft der Schwäche
Sr. Mary John Mananzan, Benediktinerin aus den Philippinen, spricht über „Die Ordensleitung in nachkonziliarer Perspektive“. Mit Temperament und Engagement beschreibt sie uns den Einfluss des Zweiten Vatikanums auf das Verständnis des Leistungsdienstes in den Orden. Beteiligung, Kollegialität, Subsidiarität und Rechenschaft Ablegen sind die vier Begriffe, die in verschiedenen Dokumenten hervortreten und die nachkonziliaren Modelle von Ordensleitung wesentlich beeinflussen. Sie stellt uns drei Modelle vor: „Servant Leadership“ – dienender Leitungsdienst, „Shared Leadership“ – gemeinsamer Leitungsdienst und „Leadership of Care and Compassion – Barmherzigkeit statt Kontrolle“. Prof. Dr. Bruna Costacurta, eine italienische Theologin, fasziniert uns mit ihrem Vortrag „Die Autorität in der Bibel“. Nach einem kurzen Blick auf das Bild „Der ideale König“, das sie von der Bibelstelle Deuteronomium 17,14-20 herleitet, legt sie ihr Hauptaugenmerk auf die „Königin Ester und die Kraft der Schwäche“. In wundervollen Bildern und Beschreibungen erzählt sie vom Mut, der Kraft, der Ohnmacht und Schwäche der Königin Ester. „Ester – die Königin, die von tief verwurzelter Schwachheit gezeichnet ist, die jedoch durch den Entschluss, ihr Leben für ihr Volk hinzugeben, zur unwiderstehlichen Kraft wird – wird so zum Vorbild für eine Autorität, die im Dienst ausgeübt wird: eine Autorität, die nicht die Macht der Herrscher über die Völker ist, die unterdrücken und ihre Macht missbrauchen. … Die wahre Autorität ist der in Sanftmut, Demut, Liebe ausgeübte Dienst, der zur Selbsthingabe führt.
Als Leiterin die Krise erfahren
Sr. Mary Pat Garvin (Sisters of Mercy of the Americas) geht mit ihrer Rede der „Wegbegleitung im Zeichen der Gnade: Eine Metapher für die Ordensleitung in unserer Zeit” nach. Unter anderem spricht sie davon, dass Ordensleitung „eine Erfahrung der Krise“ ist, „die Gefahren und Chancen birgt“. – „Die Krisen, denen wir als Ordensleiterinnen begegnen, können wir uns nicht selbst aussuchen; wir können und müssen uns aber die Haltung aussuchen, die wir ihnen gegenüber einnehmen!“. – „Die Wegbegleitung im Zeichen der Gnade setzt voraus, dass Führungskräfte Wege kennen und praktizieren, um ihre Gesundheit und ihr Durchhaltevermögen in allen Lebensbereichen aufrechtzuerhalten. Zwei wichtige Mittel für Ordensleiter sind: 1) das Einhalten täglicher Zeiten für das Gebet, die Reflexion und die Einsamkeit, und 2) eine dauerhafte und tiefgehende Beziehung zu einem geistlichen Begleiter oder Berater oder zu einem weisen Menschen.“ Unterstützt wird die Führungsfähigkeit im Zeichen der Gnade durch folgende Dinge:
- Wir seien in uns selbst „zuhause“,
- wir mögen „kritische Realisten“ sein, die den Mut haben, allen Hindernissen zum Trotz zu handeln,
- wir mögen das Charisma frisch und überzeugend ausdrücken und
- wir seien dem Geheimnis Gottes gegenüber offen, wo, wann und wie auch immer Gott sich uns offenbaren will, denn, „der Heilige Geist scheint in Zeiten des Umbruchs besonders aktiv zu sein“.
Die Macht der Ermutigung, Annahme und Beharrlichkeit
Sie schließt ihre Betrachtung mit einem Blick auf die Macht. Die Macht der Ermutigung, die Macht der Annahme und die Macht der Beharrlichkeit nennt sie als drei der zahllosen Formen von Macht, die uns täglich zur Verfügung stehen. Diese zu achten und anzuwenden ist Gnade, die uns Kraft schenkt, das Reich Gottes – den Traum Gottes – wahr werden zu lassen. Sr. Charlotte Sumbamanu, Generaloberin der Sœurs de S. Thérèse de l’Enfant Jésus, Kinshasa) gab in ihrem Vortrag Einblick in „Die Ausübung der Autorität in einer erwachsenen Gemeinschaft“. Nach einer Erläuterung der Begriffe „Autorität“ und „Gehorsam“, der Grundlage und Notwendigkeit von Autorität beschreibt sie die Autorität in einer erwachsenen Gemeinschaft. Autorität ist Gehorsam, ist Sendung und ist Dienst. „Die wahre geistliche Autorität wird nicht durch Erfolg oder Misserfolg bewiesen, sondern ist abhängig von der Demut, vom Hören auf alle, von der Aufrichtigkeit, der Liebe zum Herrn, zu seinem Wort und zu seiner Kirche.“ „Die erwachsene Gemeinschaft ist keine Konfektionsware und entsteht auch nicht von allein. Sie ist Frucht des Handelns und einer Kultur, deren Wurzeln in einer anfänglichen Ausbildung und ständigen Weiterbildung sowie in der Fähigkeit zur Eigeninitiative liegen“. So schreibt sie unter der Überschrift „Mittel zum Erlangen der Reife“. In Bezug auf die Verantwortung füreinander weist sie uns einen einfühlsamen Weg: „Wir sind aufgerufen, dem diskreten Weg des Heiligen Geistes in das Herz des anderen zu folgen. Und wir sind niemals aufgerufen, uns an seine Stelle zu setzen oder seine Arbeit zu tun.“
Das fünfte Referat wird Sr. Martha Zechmeister, Congregatio Jesu, haben. Sie spricht zum Thema „Die Autorität der Leidenden“ – sie arbeitet seit einigen Jahren in El Salvador. Ich bin schon sehr gespannt auf ihre Ausführungen.“ Neben Sr. Franziska Bruckner von den Franziskanerinnen in Amstetten gibt es viele Ordensfrauen am Generaloberinnen-Kongress in Rom, die andere am Tagungsgeschehen Anteil nehmen lassen – via E-Mail oder Social Media zum Beispiel.
Foto: Sr. Franziska Bruckner. Zum Download bitte auf das Bild klicken!
Die österreichischen Teilnehmerinnen: Sr. Adelinde Grandits, Sr. Franziska Bruckner, Sr. Judith Tappeiner, Sr. Hilda Daurer, Sr. Maria Theresia Oberwalder, Sr. Barbara Lehner, Sr. Michaela Pfeiffer, Sr. Angelika Garstenauer
Leiten heißt Kommunizieren – auch bei der Konferenz
Aus den deutschsprachigen Ländern sind 40 Generaloberinnen anwesend. Der Austausch nach den Referaten, die sogenannte „Zeit der Ernte“ am Ende eines Tages, findet an runden Tischen statt. Die jeweilige Schlussbotschaft wird von Schwestern vorbereitet, die die Tagung begleiten und die Ergebnisse der Tischgespräche sammeln und zusammenführen. „Es ist spannend, mit wie viel Engagement die einzelnen Schritte vorbereitet, moderiert und gestaltet werden“, schreibt Sr. Franziska Bruckner. Bereits „die Gebetszeit am Morgen führt zum jeweiligen Tagesthema hin, die Eucharistiefeier um 12:00 Uhr und das Schlussgebet umfangen die Tage mit Momenten des Innehaltens, der Stille und der Vertiefung.“
Kardinal Joâo Braz de Aviz, Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens , feierte den Sonntagsgottesdienst mit den über 800 Generaloberinnen und blieb anschließend zum Dialog mit den Versammlungsteilnehmerinnen bis in den späten Nachmittag. Kardinal Aviz ist der erste Präfekt des Dikasteriums, der den Sitz der UISG in Rom nach dessen Einweihung durch Papst Paul VI. im Jahr 1969 am 30. März 2011 persönlich besucht hatte, also bereits einige Tage nach seiner Ernennung. Den Schlussgottesdienst feiert der neue Sekretär der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens, P. José Rodriguez Carballo OFM, mit den Generaloberinnen. Beendet wird die Tagung mit einer Privataudienz bei Papst Franziskus am 8. Mai um 9:30 Uhr.
Fotos: Sr. Franziska Bruckner
[ms]