Dass wir auf Kosten eines ganzen Planeten leben…
„Was wir gerade erleben, ist die Erfindung eines Pontifikats“, so charakterisiert P. Bernd Hagenkord SJ, Leiter der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan, die Wochen seit dem 13. März 2013. Es sei schwierig, viel über den neuen Papst zu sagen, denn „wir wissen noch nicht genau, was da mit uns passiert“. Was jetzt gesagt wird, kann in zwei Wochen bereits überholt sein. Es ist „work in progress“.
Drei Aspekte des neuen Pontifex hat P. Hagenkord im Gespräch mit österreichischen Journalistinnen und Journalisten hervorgehoben: 1. seine angstfreien Gesten, 2. seine Predigten, in denen das II. Vaticanum eine wichtige Rolle spielt, 3. das, was uns Europäern am argentinischen Papst fremd erscheint.
Erstens, Papst Franziskus hat keine Angst.
Das drückt sich in seinem Habitus aus, in seiner Art, mit Menschen umzugehen. „So locker und formlos ist noch nie ein Papst aufgetreten“, so die Einschätzung von P. Hagenkord. Die Art von Franziskus, Menschen zu begegnen, sei mehr als nur eine Frage des Stils. Es ist eine direkte, unmittelbare Begegnung auf Augenhöhe. Während Johannes Paul II. ein Papst der großen Gesten, der gekonnten Inszenierung war, sei Franziskus ein Papst der „kleinen Gesten“, so P. Bernd Hagenkord. „Der Petersplatz ist voller Menschen. Und Papst Franziskus nimmt Kontakt auf zu den sechs, sieben oder acht Personen, die rund um ihn sind. Das macht ihn so authentisch. Er umarmt nicht die Masse. Er umarmt die Menschen in seiner Nähe ohne Angst, dass das sein Amt beschädigen könnte.“
Zweitens, Papst Franziskus spricht über das Zweite Vatikanische Konzil.
Das verbindet ihn mit seinem Vorgänger Benedikt XVI. Als er das erste Mal in seinen von ihm eingeführten Morgenpredigten kritisierte: „Wir sind bequem, obwohl der Heilige Geist drängt!“, da wusste man, jetzt kommt zu seiner Art, Menschen zu begegnen, der theologische Inhalt dazu. „Haben wir das getan, was der Heilige Geist uns im Konzil gesagt hat? Nein.“ Es gibt für den Papst zu wenig „Konzil“ in der Kirche. Ein Lieblingswort von Franziskus ist „hinausgehen“. Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan dazu: „Er hat auch viel Prügel dafür eingesteckt. Aber die Kritik von rechts macht aus ihm noch keinen Liberalen.“
Drittens, Papst Franziskus ist uns Europäern in manchen Dingen fremd.
Zum Beispiel spricht er oft vom Teufel. Das halten viele in Europa für überholt und vorgestrig. Es dürfe aber, so Hagenkord, nicht als ein Entwicklungsrückstand abgestempelt werden. Für den argentinischen Kardinal Bergoglio, alias Papst Franziskus, ist die Rede vom Teufel etwas Selbstverständliches. Für heutige europäische Denkkategorien ist sie fremd. Papst Franziskus erscheint uns vertraut, er ist uns aber auch fremd.
Kein Intellektueller
Der neue Papst ist nach der Einschätzung seines Ordensbruders Hagenkord ein „pastoraler Seelsorger, kein Intellektueller“. Er wohnt im vatikanischen Gästehaus, frühstückt mit seinen Mitarbeitern. Hagenkord: „Das ist kein Symbol. Das ist seine Art der Amtsführung.“ Er kommuniziert mit den Menschen rund um ihn, er hört, was sie sagen, ist mit ihnen in Kontakt. „Papst Franziskus ist keiner, der sich zuerst an die Strukturen hält und dann erst etwas verändert.“ Die Vatikan-Mitarbeiter seinen jedenfalls recht zufrieden mit der neuen Amtsführung, erzählt Hagenkord.
Praktische Frage nach Gerechtigkeit
Was denn sein persönlicher Wunsch an das soeben begonnene Pontifikat wäre, wurde P. Hagenkord von einem Journalisten in Wien gefragt. Etwas nachdenklich meinte der Radio Vatikan-Sektionsleiter: „Wir haben noch nicht realisiert, dass wir auf Kosten eines ganzen Planeten hier in Europa so viel Reichtum haben. Wir haben das vielleicht theologisch begriffen, aber noch nicht, was es in der Praxis heißt. Ich wünsche mir, dass Papst Franziskus uns das in Europa schenkt.“ Ein weiterer Wunsch sei, dass Franziskus die ökumenischen Schritte, die er gleich nach der Wahl gesetzt hat, weiterführt.
US-Ordensfrauen: keine weiteren Verletzungen zufügen
Auf die Frage eines Journalisten, wie Papst Franziskus wohl im Konflikt mit der Vereinigung der US-amerikanischen Ordensoberinnen weiter vorgehen werde, meint P. Bernd Hagenkord, es sei derzeit das Bemühen zu bemerken, die vorhandenen Aufregungen und Verletzungen so zu behandeln, dass man keine weiteren hinzufügt.
Zum Gespräch mit Radio Vatikan-Sektionsleiter P. Bernd Hagenkord SJ hatte der Verband der katholischen Publizistinnen und Publizisten mit Sitz in Wien am 25. April 2013 geladen.
[ms]