Das wird das letzte Generalkapitel sein
„Es wird in manchen Ordensgemeinschaften immer schwieriger, eine Hausoberin zu finden“, weiß Dr. Ad Leys aus den Niederlanden. Er leitete das Büro der Konfernz der Ordensoberinnen und Oberen in den Niederlanden und arbeitet als Referent für „Vollendung“. Nicht Sterben oder Ende ist die Betrachtungsweise, sondern Vollendung. Die Folge von mangelnden Leitungspersonen ist die Fragestellung: „Wie können wir mit Würde und in sozialer Ausgewogenheit reduzieren oder etwas gar zu Ende bringen?“ Er erinnert an die drei Antworten, die in der Kongregation für Ordensleute in Rom 1997 auf diese Situation gegeben wurden: 1. Der heilge Tod oder die Vollendung. 2. Die Balance zwischen Autonomie und solidarischem Helfen der Orden finden. 3. Eine Fusion, die aber nicht als Lösung empfohlen wurde.
Schrumpfen kennt die Wissenschaft nicht
In den Niederlanden hat man Ender der 90er Jahre Kontakt zur Wissenschaft gesucht, um Lösungen für diese herannahenden Herausforderungen zu finden. Ad Leys hat gesehen, „dass die Wissenschaft nichts über schrumpfende Prozesse oder Organisationen zur Verfügung hatte.“ Die drängensten Probleme waren, dass in manchen Gemeinschaften die Versorgung der alten Mitschwestern und –brüder das eigentliche Charisma unmöglich machte. Die Wohnsituation war dauerndes Thema und schließlich konnten keine Wahlen mehr stattfinden. Aus dieser bedrängenden Situation haben sich neue Wege entwickelt. Man unterschied zwischen der Oberin, die sich um Gelübde, die Qualität des religiösen Lebens und Entscheidungsauthorität kümmerte. Daneben wurden Nicht-Mitglieder als „KoordinatorInnen“ für die Leitung einer Kommunität mit der umfassenden Sorge eingesetzt.
Das letzte Generalkapitel
Ad Leys nennt sieben Möglichkeiten für die Vollendung einer Ordensgemeinschaft. Aufhebung, Personalunion, Fusion von Instituten oder Provinzen sieht er als keine Möglichkeit. Die Änderung des „Status“ kann weiterhelfen. Vorwiegend praktiziert wird die Trennung von immateriellen und materiellen Angelegenheiten. Mithilfe einer eigenen „juristischen Person“ werden die materiellen Güter im Auftrag der Kommunität von Nicht-Ordensmitgliedern verwaltet. In Kanada wurde ein eigenes Institut errichtet, wo Ordensgemeinschaften ihre Güter gemeinsam und kostenschonend verwalten (lassen). Wenn Leitungsverantwortung auf Nicht-Mitglieder übertragen wird, dann stellen sich in der Vielfalt der Konstitutionen (diözesanes Recht, päpstliches Recht) viele Fragen. In jedem Fall rät Ad Leys auch den Ordensgemeinschaften, ein Testament im Sinne ihres Charismas zu erarbeiten. Einzelnen Gemeinschaften stellt sich die Herausforderung, dass sie das letzte Generalkapitel einberufen. „Das muss gut vorbereitet, mit viel Beteiligung aller angegangen werden“, weiß Ad Leys, der diese Situation als Begleiter einer niederländischen Gemeinschaft miterlebt hat.
Sich der Frage des Altwerdens stellen
„Es braucht Mut und Vertrauen, sich der Frage des Altwerdens zu stellen“, weiß Dr. Myriam Wijlens von der Universität Erfurt und Mitglied der kirchenrechtlichen Kommission der niederländischen OrdensoberInnenkonferenz und vatikanische Delegierte im Rat von Glaube und Verfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Wijlens hat viele Ordensgemeinschaften beraten und die kirchenrechtlichen Aspekte eingebracht. Aus ihrer Erfahrung weiß sie, „dass durch das hohe Alter der Ordenssschwestern oft keine Wahl mehr möglich ist.“ Damit wird es schwierig, eine Leitung für Häuser und Institute zu finden. Wijlens ermutigt die versammelten Oberinnen, „diese Fakten anzuerkennen, die Zeichen zu sehen und in dieser Situation die Möglichkeiten auszuloten.“ Sie weiß auch, „dass es keine Patentrezepte für diese Situationen gibt.“ Wijlens berichtet von verschiedenen Gesprächen im Vatikan, wo der Autonomie der Ordensgemeinschaften eine ganz hohe Priorität eingeräumt wird: „Die Autonomie ist der Kongregation extrem wichtig.“ Sie plädiert daher in solchen Situationen für mehr Subsidiarität und Solidarität unter den Ordensgemeinschaften. Leitung soll nicht zentralisiert werden, weil eine Leitung vor Ort besser kontextuell entscheiden kann: „So viel wie möglich an die untere Ebene abgeben.“ Damit bekommen die Hausoberinnen eine größere Bedeutung. Wijlens sieht in bedrängenden Situationen Angebote von Diözesen oder Bischöfen skeptisch: „Hilfeleistungen können zu direkten Einmsichungen werden." Diözesane Vertreter sollten daher nicht mit Sitz und Stimme in den Leitungsstrukturen integriert werden.
Den Jungen Raum geben
„Die jüngeren Schwestern brauchen heute ein eigenes Kommunitätsleben, um ihre Ideen und beruflichen Anforderungen gut leben zu können“, konstatiert die Kirchenrechtlerin. Die gesellschaftlichen Entwicklungen und das berufliche Umfeld verändern sich so rasant, „dass es nicht mehr einfach möglich ist, in den alten Formen in die Zukunft zu gehen.“ Wijlens ermutigt die Ordensleute, Knowhow im Bereich Kirchenrecht und Organisation selber aufzubauen. Diese "getrennte" Vorgehensweise wird mittlerweile in Österreich in Ordensgemeinschaften praktiziert, so auch bei den Gastgeberinnen der Tagung, den Franziskanerinnen von Vöcklabruck.
(Riedlsperger, Leys; Wijlens)
[fk]