Sicherheitsdenken birgt ein großes Risiko
Gegenwärtig herrscht eine "Epoche der Ausweisung, der Desintegration und der Ungleichheit": Das diagnostizierte die US-amerikanische Soziologin und Globalisierungsforscherin Saskia Sassen in ihrem Eröffnungsvortrag beim diesjährigen "Symposium Dürnstein", das unter dem Titel "Risiko Sicherheit" steht. Die Soziologin von der University of Columbia kritisierte, wie kathpress berichtet, u.a. sogenannte "intelligente" Finanzprodukte, die zu massiven "Vertreibungen" führen würden: "Finanzen drängen in neue Sektoren vor. Denken Sie an die Bewohner der 13 Millionen Häuser, die in den USA zwangsversteigert wurden, oder an die verarmte Mittelschicht in Griechenland. Diese Bewohner sind einfach unsichtbar. Diese Ausweisung aus traditionellen Ökonomien, aus dem Lebensraum ist nachhaltig", warnte Sassen. Die Tagung wurde am Donnerstagabend eröffnet, heute Samstag, 16. Februar 2013, geht sie wieder zu Ende.
Saskia Sassen kritisierte im Eröffnungsvortrag des Symposiums Dürnstein zudem die nur mehr eingeschränkte Privatsphäre der Bürger und Bürgerinnen in Form der Überwachung durch Staaten: "Es handelt sich hierbei um transnationale Systeme. Eine aktive Überwachung, welche uns alle zu Verdächtigen macht, findet statt. Denken Sie an Google oder an Facebook."
Das Symposion widmet sich u.a. den Themen "Sicheres Wachstum und Sichere Arbeit", Ernährungssicherheit, Sicherheitsversprechen der Moderne oder Sicherheitstechnologien. Zu den vortragenden Experten zählt u.a. auch die deutsche Erziehungswissenschaftlerin Marianne Gronemeyer. Sie hat ihre zentrale These gegen zu viel Sicherheitsdenken auch in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" erläutert: Vertrauen und Selbstsicherheit können nur dann wachsen, wenn die Menschen ein übertriebenes und falsches Verständnis von Sicherheit aufgeben.
Ein falsches Sicherheitsdenken führe dazu, die Lebenswelt grundsätzlich nur mehr als feindselig zu betrachten, derer man sich erwehren müsse. Gronemeyer: "Misstrauen wird zur Tugend und Sorge zum Grundgefühl des Lebens." Immer neue Mittel sollen gefunden werden, um antizipierte Gefahren zu bannen. "Und wo eine Gefahr eliminiert wurde, geht die fieberhafte Suche nach neuen Gefahrenquellen los, die ihrerseits den Erfindergeist enorm anstacheln", so Gronemeyer. Sicherheit werde geradezu zur Obsession, kritisierte die Erziehungswissenschaftlerin. Sie lenkte den Blick auf eine andere Sicherheitskultur, die beinahe "bis in die Erinnerungsspuren ausgelöscht" worden sei, so Gronemeyer: In ihr beruhe Sicherheit darauf, "dass man sich selbst, den anderen und die Mitwelt leiden kann".
Veranstaltet wird das Symposium von der Wachau Kultur Melk, der Donau-Universität Krems und dem Stift Herzogenburg.