Aufbruchsfähigkeit der Benediktinerklöster untersucht
"Wer angestammte Routinen verändert und Visionen umsetzt, der stößt unweigerlich auf Widerstände. Innovation tut oft erstmal weh, weil sie uns zum Umdenken zwingt. Und sie funktioniert oft nicht auf Anhieb: Scheitern, so das Dogma der Entrepreneurschmieden im Silicon Valley, gehört zum Erfolg dazu und bedingt ihn. Von dieser "no fear of failure"-Haltung können wir in Österreich noch Einiges lernen. Wer bei uns scheitert, der wird allzu schnell als Verlierer gebrandmarkt statt für seinen Mut gelobt", schreibt Anita Zelina auf standard.at. Kremsmünster liegt nicht im Sillicon Valley und doch gibt es allgemein geltenden Verhaltensweisen, wenn es um Innovation, Zukunft, Aufbruch und Pioniere geht. Hochschild hat mit einem Bündel an soziologischen Instrumenten die Situation dieser benediktinschen Kolstergemeinschaften erhoben. Die detailierten Ergebnisse, die er in den letzten Tagen den genannten Ordensgemeinschaften intern zur Verfügung gestellt hat, führen zu den fünf Thesen.
Fünf Thesen
- Die Klöster haben nicht das eine Problem, sondern es treten verschiedene und je eigene Problemstellungen zutage. Mit Säkularisierung lässt sich am wenigsten erklären. Schon der große Unterschied und die Vielfalt in der einen Ordensfamilie braucht ein "elastisches Traditionsverständnis". Hochschild hat sowohl Innen- als auch Außensicht erhoben. Orden konnten in ihrer langen Geschichte immer gut mit Übergängen und neuen Herausforderungen umgehen. Hochschild analysiert nicht nur die Mönche, sondern genauso die MitarbeiterInnen in den verschiedensten Bereichen und die "SympathisantInnen". Es fällt den Gemeinschaften schwer, "das ganz andere hereinzuholen".
- Die Vitalität hat nichts mit der Größe eines Klosters zu tun. Hochschild: "Selbstblokaden behindern am meisten." Gerade der Blick auf die Zahlen hat lähmende Auswirkungen. "Wenn wir wieder so viele wären, dann passt wieder alles", ist eine ebensolche Falle. P. Bernhard, der auch Novizenmeister ist, meinte im Gespräch: "Wenn heute von Zukunft gesprochen wird, dann wird oft die Vergangenheit beschworen." Gerade auch die "Versorgungsspirale" gegenüber den Pfarren und Werken kann die Vitalität lähmen. Ein Rückzug auf das Zentrum kann - so die Warnung Hochschilds - auch zu einer Abschottung und Isolierung führen.
- Hochschild plädiert für die Stärkung von Peripherie und Zentrum in einer gemeinsamen Sicht von Mönchen, MitarbeiterInnen und SympatisantInnen. Er spricht vom Sozial- und Lebensraum Kloster. "Die Kunst besteht darin, das gemeinsame Milieu offen zu halten für Neues und neue Ideen", bringt es Hochschild auf den Punkt. Er sieht eine große Offenheit und Wertschätzung für Neues, "wenn es jemand anderer macht." Die Veränderungsdynamik geht gegen Null und der Aufbruchswille ist sehr gering. Interessant findet Hochschild, dass das Sicherheitsstreben sehr hoch ausgeprägt ist, bei den MitarbeiterInnen und SympatisantInnen höher als bei den Mönchen.
- "Wenn Klöster zur Reform ansetzen, dann heißt das fast immer: mehr", weiß Hochschild von den Befragungen.Loslassen und Weglassen ist für Ordensgemeinschaften nicht einfach. So kommt, wenn Neues probiert wird, "immer etwas dazu".
- Jedes Kloster wird durch diese Ergebnisse und Einschätzungen zu einer Standortbestimmung geführt, die Hochschild "zwischen Aufbruchssehnsucht und Modernisierungsblockade" ansiedelt. Eine Kernfrage ist dabei, ob vom Lebensraum Kloster eine "Prägekraft" ausgeht. Auch da sieht Hochschild am Beispiel des Stiftsgymnasiums, dass es nicht in erster Linie darum geht , wie viele Mönche im Gymnasium unterrichten, "sondern wie sie dort sind". Durch eine zu große Betriebssamkeit kann genau das verlorden gehen, was Menschen heute in Ordensgemeinschaften suchen.
Kremsmünster will mit dem Treffpunkt Benedikt Neues ausprobieren und hat damit auch Erfolg. Junge Menschen finden so in der Nähe des Klosters das, was jeder Mensch sucht und braucht: Anerkennung und Wertschätzung, tragende und sinnvolle Tätigkeiten und Rituale, Community-Erlebnisse mit der Erfahrung, dazuzugehören.
[fk]