Die Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs
Anfänge im Stiftsarchiv Herzogenburg
Meine erste Anstellung als Archivarin erhielt ich im Jahr 1999 im Augustiner-Chorherrenstift Herzogenburg in Niederösterreich. Im Jahr zuvor hatte ich den dreijährigen postgradualen Ausbildungslehrgang für Historische Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft am Institut für Österreichische Geschichtsforschung abgeschlossen. Die Vermittlung auf meine erste Dienststelle in einem Archiv habe ich meinem Doktorvater Karl Brunner (Institut für Österreichische Geschichtsforschung) zu verdanken. Er hat damals ein Kooperationsprojekt zwischen dem oben genannten Institut und dem Arbeitsmarktservice Niederösterreich organisiert. Institutionen, die keine Planstellen für archivisches Fachpersonal hatten, erhielten bei einer einjährig befristeten Anstellung von Absolventen und Absolventinnen des genannten Ausbildungslehrgangs die Arbeitgeberkosten bezahlt. Es meldeten sich vor allem Kommunen für die Betreuung von Gemeindearchiven. Das einzige Kloster, das sich beteiligte, war Herzogenburg. Ich ergriff die Chance, in einem Stiftsarchiv arbeiten zu können, und trat dort im Jänner 1999 meinen Dienst an. Ich wurde beauftragt, eine Archivdatenbank aufzubauen und Erschließung, Verzeichnung und Überlieferungsbildung zu modernisieren und zu professionalisieren.
Damals war die Verwendung von elektronischer Datenverarbeitung für archivische Findbehelfe noch ein Novum. Es gab nur wenige österreichische Archive, die mit dem Aufbau eines Archivinformationssystems begonnen hatten. Ich suchte das Gespräch mit den Kollegen, die damit bereits Erfahrungen gesammelt hatten. Das waren Heinrich Berg (Wiener Stadt- und Landesarchiv), Josef Riegler (Steiermärkisches Landesarchiv), Leopold Kammerhofer (Österreichisches Staatsarchiv) und Johann Weißensteiner (Diözesanarchiv Wien). Diese und weitere Kollegen, vor allem Thomas Aigner (Diözesanarchiv St. Pölten), berieten mich bei der Erstellung einer Beständetektonik für das Stiftsarchiv Herzogenburg, das als Grundlage für den Datenbankaufbau dienen sollte. Nicht alle Archivare waren damals von der Sinnhaftigkeit von Archivinformationssystemen überzeugt, besonders wenn ausführliche gedruckte Findbehelfe vorlagen wie im Fall des Diözesanarchivs St. Pölten.1 Es waren die positiven Erfahrungen, die ich mit dem Einsatz des PCs im Stift Herzogenburg machte, die Thomas Aigner davon überzeugten, dass die Zukunft der Archive der Digitalisierung gehörte. Das Stiftsarchiv Herzogenburg war das erste Archiv, dessen Urkundenregesten im Projekt „MOM-Monasterium“ – das heute größte Portal digitalisierter Urkunden im Internet, das Thomas Aigner begründete – online gehen konnten.2 Ich hatte nämlich diese Daten bereits in eine Archivdatenbank eingegeben, die ich mit dem Programm „Access“ (Office unter Windows) erstellt hatte. Die niederösterreichischen Stifte haben die Anschubfinanzierung für das Projekt geleistet. Der Propst von Herzogenburg, Maximilian Fürnsinn CanReg. (amt. 1979–2019), war damals Vorsitzender der Niederösterreichischen Äbtekonferenz.
Erste Kooperationen und die Gründung der ARGE Ordensarchive
Die Vernetzung mit Fachkolleginnen und -kollegen ist für jemand, der in einem vergleichsweise kleinen Archiv weitgehend alleine arbeitet, besonders wichtig. Das Engagement der oben genannten Archivare, die mich Neuling so tatkräftig und solidarisch unterstützten, nährte in mir die Begeisterung für den Archivberuf, wofür ich ihnen bis heute sehr dankbar bin. Diese positive Erfahrung ermutigte mich auch, meinen Wunsch zu verwirklichen, Archivare anderer Stifte und Klöster der Männerorden kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Nachdem man in Herzogenburg mit meiner Arbeit zufrieden war und meine Anstellung um ein Jahr verlängerte, erbat ich mir von Stiftsarchivar Wolfgang Payrich CanReg. und von Propst Maximilian die Erlaubnis, im Stift ein Treffen kirchlicher Archivare abhalten zu dürfen. Ich koordinierte mich mit den Diözesanarchivaren von St. Pölten und Wien und lud Archivare anderer Männerklöster mit historischem archivischen Altbestand ein. Zu meiner großen Freude und Überraschung folgten so gut wie alle dieser Einladung. Wir waren eine Runde von 25 Personen, die Mehrheit waren Ordensmänner aus Stiften, aus dem Kapuziner- und aus dem Dominikanerorden. Es stellte sich heraus, dass auch diese froh und dankbar für die Gelegenheit zu Erfahrungsaustausch und Weiterbildung waren. Ich hatte einen Restaurator des Österreichischen Staatarchivs als Referenten eingeladen, der über Bestandserhaltung sprach. Ermutigt von diesem ersten Erfolg setzte ich die Vernetzungstreffen der kirchlichen Archivare – Archivarinnen gab es in diesem Arbeitskreis außer mir zunächst nicht – in den kommenden Jahren fort.
Mit Jahresende 2000 endete meine Vollzeitanstellung in Herzogenburg. Ich betreute das Stiftsarchiv aber stundenweise weiter und entschied mich dazu, meine Doktorarbeit seiner Überlieferung und seinen Quellen aus Mittelalter und Früher Neuzeit zu widmen.3 Ab 2001 arbeitete ich in einer Halbzeitanstellung im Provinzarchiv der Gesellschaft Jesu in Wien, wo ich die Vernetzungstreffen fortführte. Aus der positiven Erfahrung dieser Treffen wuchs mein Wunsch, diese Tätigkeit auszuweiten. Die Idee zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive kam schließlich aus Deutschland. Thomas Aigner, der damalige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Diözesanarchive, die bereits seit 1976 bestand, hatte mir den Kontakt zu P. Laurentius Koch OSB (*1936, †2003) aus der bayerischen Abtei Ettal, dem ersten Vorsitzenden der 1997 gegründeten Arbeitsgemeinschaft deutscher Ordensarchive (AGOA), vermittelt. Wir telefonierten mehrmals und P. Laurentius ermutigte mich, die Gründung einer österreichischen Arbeitsgemeinschaft in Angriff zu nehmen. Meine Vernetzungstreffen sollten sich zu einer ersten gesamtösterreichischen Tagung der Ordensarchivare und Ordensarchivarinnen erweitern. Ich kontaktierte die Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs (SK), wo man mir Unterstützung zusicherte, sowie die Vereinigung der Frauenorden Österreichs (VFÖ), die die Einladung auch an die Ordensfrauen weitergab. Ich danke dem damaligen Generalsekretär der SK, P. Erhard Rauch SDS (amt. 2002–2015), sowie der ehemaligen Generalsekretärin der VFÖ, der Hartmannschwester Theresia Sessing SFCC (*1938, †2018, amt. 1980–2009), die viel Verständnis für dieses ihnen doch recht unvertraute Thema der Ordensarchive aufbrachten. Die erste Österreichische Ordensarchivtagung fand im Frühjahr 2003 in Wien statt. Zu meiner großen Bestürzung erhielt ich nur wenige Wochen zuvor die traurige Nachricht, dass P. Laurentius überraschend verstorben war. Wir widmeten die Tagung seinem Andenken.
In Vorbereitung der Tagung erstellte ich einen Fragebogen, der von den Dachverbänden der Männer- und Frauenorden an alle Ordensgemeinschaften ausgesandt wurde. Von den insgesamt 226 verschickten Fragebögen (138 Frauengemeinschaften und 88 Männergemeinschaften) wurden mehr als die Hälfte retourniert, womit ein guter Überblick über die österreichische Ordensarchivlandschaft möglich war.4 Aus der Auswertung der Umfrage ergab sich auch das Aufgabenfeld der geplanten Arbeitsgemeinschaft: Sie sollte dem Erfahrungsaustausch und der Hilfestellung bei praktischen Fragen des Archivwesens dienen. Weiterbildungsveranstaltungen sollten in Kooperation mit anderen archivischen Facheinrichtungen und Institutionen organisiert und angeboten werden. Weiters projektiert war eine Abstimmung gemeinsamer fachlicher und rechtlicher Interessen der Ordensarchive und die Erstellung diesbezüglicher Empfehlungen und Vorlagen für die Superiorenkonferenz der Männerorden und die Vereinigung der Frauenorden. Die ARGE Ordensarchive sollte außerdem die Interessen ihrer Mitglieder im inner- wie außerkirchlichen Bereich vertreten und sich an der Entwicklung und Umsetzung von Projekten zur fachlichen und wissenschaftlichen Bearbeitung der Ordensarchive und ihrer Bestände beteiligen.
Ich habe bei diesem ersten Österreichischen Ordensarchivtag erklärt, warum die Ordensarchive für mich eine besondere Bedeutung bekommen haben:
„Für mich ist das Stift Herzogenburg mehr als nur ein Arbeitsplatz in einem Archiv, sondern vielmehr eine Heimat geworden. Ich habe auch gern angenommen, wenn ich zum Stundengebet eingeladen wurde. Ich erinnere mich an eine Vesper, bei der das Nekrolog vorgelesen wurde. Dabei wurde der Name eines Propstes des Stiftes genannt, der im 16. Jahrhundert verstorben ist. Ich kannte diesen Propst, sein Name war mir geläufig. Ich hatte kurz zuvor im Archiv seine Schriftstücke, seine Briefe in der Hand gehabt. Er war mir als historische Figur greifbar. Und dann erlebte ich dieses liturgische Totengedenken und meine Beziehung zur archivisch überlieferten Geschichte hat sich vollkommen geändert. Plötzlich war dieser Propst nicht länger eine Person, die historisch entrückt ist, sondern die in die Tradition einer Ordensgemeinschaft hineingehört. Ich habe begriffen, was es heißt, nicht als Angestellte in einem öffentlichen Archiv zu arbeiten, sondern in einer Ordensgemeinschaft, in der die Tradition, das Erbe und auch die schriftliche Überlieferung im Archiv ein Bestandteil ihrer Identität ist.“5
Die nächste Jahrestagung der Ordensarchive 2004 in Salzburg wurde als konstituierende Generalversammlung der ARGE geplant. Als begleitende Maßnahme, um diese Arbeitsgemeinschaft auf den Weg zu bringen und ihre Tätigkeitsfelder zu etablieren, wurde ich als Referentin für Ordensarchive für acht Wochenstunden von der Superiorenkonferenz angestellt. Referate hatten in der SK bereits eine lange Tradition, es gab unter anderem das Schulreferat, das Wirtschaftsreferat und das Rechtsreferat. Die Referenten berieten die Orden und vertraten sie nach außen. Dass die SK meinem Vorschlag zur Einrichtung eines eigenen Referats für Ordensarchive zustimmte, ist vor allem dem Umstand zu danken, dass die erste Ordensarchivtagung 2003 mit über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern außerordentlich gut besucht war. Meine Anstellung als Referentin ermöglichte es mir, die Archivarinnen und Archivare in Ordensgemeinschaften, die damals noch fast ausschließlich Ordensleute waren, zu besuchen und nach ihren Anliegen zu fragen. Die Probleme waren sehr vielfältig. Oft fehlte es an grundlegenden Informationen, was Ordnung, Erschließung oder Bestandserhaltung betrifft, oft aber auch an den nötigen Ressourcen, um die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Ich begann daher, Studierende bzw. Absolventinnen und Absolventen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung in Ordensarchive zu vermitteln. Im Rahmen zeitlich begrenzter Projekte erstellten sie Findbehelfe und sorgten für eine sachgerechte Lagerung.
Als sich die Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive im Jahr 2004 konstituierte, übernahmen wir von der AGOA die Form eines Vereins mit Statuten und einem gewählten Vorstand mit einem ehrenamtlichen Vorsitzenden. Wir sahen aber davon ab, einen angemeldeten Verein zu gründen und Mitgliedsbeiträge einzusammeln, wie dies die AGOA tut. Vielmehr wünschte der Generalsekretär der Superiorenkonferenz, P. Erhard Rauch SDS, eine Eingliederung in die Organisationsstruktur der SK, wo es bereits andere Arbeitsgemeinschaften gab, wie zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft der Missionsorden oder die Arbeitsgemeinschaft der Ordensspitäler. Diese fungierten als Fachgremien, in denen Frauenorden und Männerorden zusammenarbeiteten. Erster Vorsitzender der ARGE Ordensarchive war Johann Tomaschek, von 1981 bis 2014 Stiftsarchivar in der Benediktinerabtei Admont, der mir ein treuer, lieber Freund und Unterstützer war und dem ich herzlich für sein Engagement beim Aufbau der Arbeitsgemeinschaft danke. Ich blieb als Referentin für Ordensarchive bei der Superiorenkonferenz angestellt und übernahm daher auch die Hauptlast der Tätigkeit der ARGE.
Rechtsfragen
Unser erstes großes Projekt war die Erstellung von Richtlinien zur Sicherung und Nutzung der Ordensarchive, die wir in einem Ausschuss erarbeitet haben. Diese Handreichung sollte den Verantwortlichen in den Archiven der Klöster und Ordensgemeinschaften eine Richtschnur für die Grundlagen der Archivorganisation geben. In jenen Jahren war die Archivgesetzgebung ein vorrangiges Thema im öffentlichen Archivbereich. Die Juristen unter den Mitarbeitenden der Österreichischen Historikerkommission, welche ab 1998 im Staatsarchiv und in den Landesarchiven den Vermögensentzug während der NS-Zeit erforschte und entsprechende Berichte herausgab, fragten nach der Rechtsgrundlage dieser Tätigkeit, was schließlich im Jahr 2000 zum Inkrafttreten des Bundesarchivgesetzes führte. Die Landesarchive zogen in den folgenden Jahren nach. Nur Kärnten hatte bereits seit 1997 ein eigenes Archivgesetz, weil das Kärntner Landesarchiv keine Behörde, sondern eine Anstalt öffentlichen Rechts ist. In den Diözesen trat 1998 eine „Ordnung zur Sicherung und Nutzung der Archive der Katholischen Kirche“ für die Diözesan- und für die Pfarrarchive in Kraft.
Ordensgemeinschaften regeln ihre inneren Angelegenheiten und damit auch ihre Archivorganisation selbst. Die diesbezüglichen auch für sie geltenden Vorschriften des Katholischen Kirchenrechts sind sehr wenige und sehr allgemeine.6 Die Richtlinien, die wir für die Ordensarchive erarbeiteten, sollten eine Anleitung und Hilfestellung für das Abfassen einer eigenen Archivordnung und deren Implementierung in das Eigenrecht jeder Gemeinschaft sein. Die ARGE Ordensarchive konnte sie bei der jährlichen Herbsttagung der Orden im November 2005 präsentieren.
Mehr als zehn Jahre später begann die Arbeitsgemeinschaft der Diözesanarchive Österreichs mit einer Überarbeitung der kirchlichen Archivordnung und übernahm in einem ersten Entwurf die Formulierung aus der deutschen Anordnung über die Archive der Katholischen Kirche von 2013, wonach auch die Archive der Ordensgemeinschaften diözesanen Rechts in den Geltungsbereich dieser bischöflichen Anordnung fielen. Es gelang mir mittels eines Gutachtens des Referenten für kanonisches Recht der Superiorenkonferenz, P. Laurentius Eschlböck OSB, diesen Entwurf erfolgreich zu beeinspruchen und die Eigenständigkeit auch der Orden diözesanen Rechts sicherzustellen. In einer Überarbeitung unserer Richtlinien für die Ordensarchive von 2005 erstellten wir für die Orden im Jahr 2015 eine Muster-Archiv- und Benützungsordnung, um entsprechende Bestimmungen im Eigenrecht zu erleichtern und zu fördern.7
Die Ordensarchive als Schrittmacher im österreichischen Archivwesen
Im Herbst 2004 begann meine Tätigkeit als Archivarin in der Erzabtei St. Peter in Salzburg. Wie schon im Stift Herzogenburg und bei den Jesuiten in Wien war es auch hier der Wunsch meiner Dienstgeber, ein Archivinformationssystem einzurichten, die Bestände zu ordnen und zu erschließen und die Überlieferungsbildung zu sichern. Meine Anstellung als Referentin für die Ordensarchive bei der Superiorenkonferenz (und meine Beauftragung durch die Vereinigung der Frauenorden) blieb auch bei meiner Anstellung in Salzburg weiter bestehen. Ich besuchte eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen und Tagungen, um mich archivwissenschaftlich weiterzubilden und selbst Workshops für die Ordensarchivarinnen und Ordensarchivare abhalten zu können. Mir wurde dabei bald klar, dass Weiterbildung nur auf der Basis einer Grundausbildung sinnvoll und fruchtbar war. In Deutschland gab es bereits einen eigenen Kurs für kirchliche Archivarinnen und Archivare, den sogenannten Volkersberger Kurs.8 Ich erwog, gemeinsam mit den Diözesanarchiven eine ähnliche Ausbildung in Österreich einzuführen, verwarf diese Idee jedoch wieder, weil mir die Zielgruppe dafür zu klein erschien. Ich war damals, im Jahr 2005, eben in den Vorstand des Verbands österreichischer Archivarinnen und Archivare (VÖA) gewählt worden. Karl Rehberger CanReg. (*1934, †2018) aus dem Stift St. Florian in Oberösterreich, der dreißig Jahre lang die Klosterarchive darin vertrat, hatte mich gebeten, an seiner Stelle zu kandidieren. In einer meiner ersten Vorstandsitzungen schlug ich vor, einen Grundkurs für alle Mitarbeitenden in Archiven ohne einschlägige Ausbildung anzubieten.
In Österreich gab es damals nur den dreijährigen postgradualen Lehrgang am Institut für Österreichische Geschichtsforschung. Darum befand der Vorstand die Idee für gut und übertrug mir, sehr zu meiner Überraschung, war ich doch noch ein Neuling in der Verbandsarbeit, diese Aufgabe. Ich gründete eine Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung, in der Kerstin Lengger (damals Archiv der Erzdiözese Salzburg), Heinrich Berg (damals Abteilungsleiter im Wiener Stadt- und Landesarchiv), Peter Wiesflecker (Steiermärkisches Landesarchiv), Juliane Mikoletzky (ehemalige Direktorin des Archivs der Technischen Universität Wien), Werner Matt (Direktor des Stadtarchivs Dornbirn) sowie Rudolf Jeřábek (*1956, †2023, ehemaliger Direktor des Archivs der Republik im Österreichischen Staatsarchiv) mitarbeiteten und übernahm deren Leitung. Es war die erste Arbeitsgruppe des Verbands und sie besteht bis heute.9 Auf Wunsch des VÖA-Vorstands machte ich eine Bedarfserhebung mit einer Umfrage unter den VÖA-Mitgliedern und stellte in der Vorstandssitzung im März 2006 das Projekt „Grundkurs für Archivarinnen und Archivare“ vor, das auch prompt beschlossen wurde.
Meine Arbeitsgruppe bewältigte eine sehr intensive Vorbereitungsphase mit mehrtägigen Klausuren, in denen wir ausführlich das Curriculum des geplanten einwöchigen Kurses diskutierten. Die fachliche Diskussion zu archivwissenschaftlichen Fragestellungen und der Prozess der Einigung auf einen Konsens war für uns alle bereichernd und erhellend. Die Erfahrungen aus dieser Zusammenarbeit, an die ich bis heute gerne und mit Dankbarkeit zurückdenke, haben auch meine Tätigkeit in der ARGE Ordensarchive ganz wesentlich und fruchtbar beeinflusst.
Bereits im Jahr 2007 konnten wir den ersten Grundkurs an meiner Arbeitsstätte in der Erzabtei St. Peter in Salzburg abhalten.10 Die Kurse finden seitdem jährlich statt, nahezu ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten bislang die kirchlichen Archive, und hier zum überwiegenden Teil die Ordensarchive. Ein großer Teil der Ordensarchivarinnen und Ordensarchivare kann darum heute ihre Tätigkeit ausgestattet mit dem Rüstzeug einer Grundausbildung leisten. Nach mehr als zehn Jahren, in denen ich die Grundkurse und die Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung geleitet habe, fand ich in Elisabeth Loinig vom Niederösterreichischen Landesarchiv eine fähige Nachfolgerin mit großem Verständnis für die oft schwierige Situation kleiner Archive wie jener der Ordensgemeinschaften.
Die Grundkurse waren nicht nur ein Meilenstein in der österreichischen Archivausbildung und sind bis heute ein Erfolgsmodell, sie haben auch zu einigen wichtigen Änderungen im österreichischen Archivwesen geführt. Wir mussten damals im Vorbereitungsteam überlegen, welche archivischen Standards wir lehren wollten. Im Bereich der Erschließung waren solche in den großen Archiven noch nicht üblich, man erschloss nach Haustraditionen länderweise sehr unterschiedlich. Es gelang mir und meinem Team damals, dass sich im Rahmen eines von uns organisierten Workshops alle Landesarchive und das Staatsarchiv auf die Einführung des Internationalen Standards zur archivischen Erschließung einigten und wir daher diesen im Grundkurs unterrichteten.
Der Grundkurs führte auch zu Änderungen im Berufsbild: Billigte man bis dahin nur dem akademisch ausgebildeten Archivar diese Berufsbezeichnung zu – im Bereich der Ordensarchive also nur den Stiftsarchivaren, die Absolventen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung waren –, bewirkten wir eine Wertschätzung auch für die vielen anderen Archivarinnen und Archivare sowohl des kirchlichen wie des weltlichen Bereichs. So gingen also von den vergleichsweise kleinen Ordensarchiven in Österreich wichtige Impulse zur Professionalisierung und Profilierung im Österreichischen Archivwesen aus. Die Gruppe der Mitglieder des Berufsverbands wurde größer, diverser und bunter. Das Ansehen der Ordensarchive und ihrer Arbeitsgemeinschaft wuchs. Als Michael Hochedlinger (Österreichisches Staatsarchiv) 2013 seine umfassende „Österreichische Archivgeschichte“ veröffentlichte, würdigte er ausdrücklich die Arbeit der ARGE Ordensarchive Österreichs als eine „Renaissance der Klosterarchive“.11
Ein besonderes Anliegen war mir auch die Zusammenarbeit mit den Diözesanarchiven, die ich auch nach Auflösung meines ersten „Arbeitskreises kirchlicher Archivare“ und der Gründung der ARGE Ordensarchive auf Österreichebene weiterführen wollte. Ich initiierte daher eine „Fachgruppe kirchliche Archive“ im Rahmen des Verbands Österreichischer Archivarinnen und Archivare, die wir 2007 in eine Fachgruppe der Archive der staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften erweiterten. Es war die erste Fachgruppe im VÖA und sie besteht bis heute.12
Nach jahrelanger Erfahrung als Archivarin in verschiedenen Ordensgemeinschaften und intensiver Beschäftigung mit der archivfachlichen Diskussion fühlte ich mich befähigt, ausführliche Beratungsgespräche in den Ordensarchiven durchzuführen. Nicht selten verbrachte ich meine Freizeit und Urlaubstage damit, in Ordensarchiven, wo es an Personal und Know-how mangelte, zu ordnen und zu erschließen. Das gab mir kostbare Einblicke in eine, auch der Fachwelt noch weitgehend unbekannte österreichische Ordensarchivlandschaft. Ich erinnere mich eines Vortrags, zu dem mich das Institut für Österreichische Geschichtsforschung im Jahr 2017 einlud. Ich sprach über Überlieferungsbildung in Ordensarchiven und erwähnte dabei die Archivarin der Salesianerinnen im Wiener Heimsuchungskloster im 18. Jahrhundert.13 Das führte zur erstaunten Anfrage aus dem Publikum: War tatsächlich eine Ordensfrau bereits vor 300 Jahren Archivarin, obwohl im weltlichen Bereich diese Berufswahl für Frauen erst ab den 1930er Jahren möglich war? So gelang es mir, das Vorurteil von der Rückständigkeit im katholischen Bereich und besonders der Unterschätzung der Kompetenz von Ordensfrauen mit archivfachlichen und ordenshistorischen Referaten zumindest ein wenig zu irritieren.
Im Dienst der Ordensgemeinschaften Österreichs
Als Referentin für die Ordensarchive habe ich neben meiner Tätigkeit in der Aus- und Weiterbildung, meiner Beratung und Mitarbeit in den Ordensarchiven und meinen Vertretungsaufgaben in verschiedenen Gremien auch die Einrichtung einer eigenen Website der ARGE Ordensarchive unternommen, auf der ich neben schriftlichen Behelfen auch eine Liste österreichischer Ordensgemeinschaften und ihrer Archive veröffentlichte. Die Jahrestagung der Ordensarchive in jedem Frühjahr und die Treffen bei der jährlichen Herbsttagung der Orden bereitete ich mit dem Vorstand der ARGE Ordensarchive vor, der allerdings zunehmend schwieriger zu besetzen war. Nachdem Johann Tomaschek nach seiner vierjährigen Amtsperiode 2008 seinen Vorsitz zurücklegte, war kein Ersatz für ihn zu finden und ich musste die Vorsitzführung selbst übernehmen. Ohne meine Anstellung als Referentin für die Ordensarchive wäre die Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft kaum so gedeihlich verlaufen, denn allein mit ehrenamtlich Mitarbeitenden wäre das engagierte Arbeitsprogramm nicht zu bewältigen gewesen. Auch der Vorstand der AGOA wurde ganz wesentlich von angestellten Archivarinnen und Archivaren im Laienstand getragen.
P. Peter van Meijl SDS vom Salvatorianerarchiv in Wien übernahm dankenswerterweise einige Agenden des Vorsitzenden, wie etwa die Eröffnung der Jahrestagungen, und brachte sich mit seiner reichen internationalen Erfahrung immer wieder fruchtbar ein. Ich danke ihm für sein langjähriges Engagement und für alles, was ich von ihm lernen durfte. Auf unnachahmliche Weise hat er stets die Brücke zwischen Archiv, Geschichte und Spiritualität der Orden hergestellt und unserer archivischen Arbeit viel Tiefe und Sinn verliehen.
In Dankbarkeit erinnere ich mich auch der Unterstützung meiner lieben Freundin Sr. Christl Öhlinger RSCJ vom Sacré Cœur, Gründungsmitglied der ARGE Ordensarchive. Sie nahm an meinem ersten Grundkurs in St. Peter teil. In der Kurseinheit über Bestandserhaltung fragte sie damals nach, wie sie die internationalen Videokonferenzen ihrer Ordensgemeinschaft am besten archivieren kann. Das führte bei den anderen Teilnehmenden aus dem außerkirchlichen Bereich zu großem Staunen über das professionelle und international vernetzte Wirken eines Frauenordens und seiner Archivorganisation. Sr. Christl hat ihre Aufgabe als Provinzarchivarin und Vorstandsmitglied stets mit viel Sachkenntnis und Passion ausgeübt, für ihr Durchhaltevermögen hatte ich stets die größte Bewunderung.
Sr. Christls Aufgabe im Vorstand, die Frauenorden zu vertreten, übernahm im Jahr 2012 Sr. Illuminata Blümelhuber SCSC (Kreuzschwestern), die durch ihre positive Herangehensweise die Vorstandssitzungen sehr bereichert hat. Ihr folgten 2015 Sr. Eva Maria Kremshuber SRA (Missionsschwestern Königin der Apostel) und nach ihr Sr. Clara Maria Neubauer CCIM (Vorauer Marienschwestern). Ihnen gehört mein Dank und meine Anerkennung, vertraten bzw. vertreten sie doch mit dem Archivwesen einen Bereich, der gerade in den Frauenorden lange als nicht besonders dringlich oder bedeutsam angesehen wurde. Als kooptiertes Mitglied hat meine Kollegin und Freundin Christine Schneider (Wien), eine international renommierte Historikerin und Erforscherin der Geschichte der Frauenklöster, die große Bedeutung der Frauenordensarchive stets engagiert vertreten und mich 16 Jahre lang, von 2003 bis 2019, tatkräftig unterstützt. Auch ihr möchte ich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön sagen.
Obwohl die Archivaufgabe in den Männerorden ebenso wie bei den Frauenorden hauptsächlich von Ordensleuten wahrgenommen wird, wurde es immer schwieriger, solche für die Gremienarbeit zu gewinnen. Dieses Problem hat nicht nur auch die deutsche Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive, sondern es besteht ebenso bei den anderen Arbeitsgruppen in den Dachverbänden der Orden. Es ist daher P. Korbinian Birnbacher OSB, damals Stiftsarchivar in St. Peter, besonders zu danken, dass er sich neben seinen anderen Aufgaben in seinem Haus die Zeit genommen hat, bis 2008 auch im Vorstand der ARGE Ordensarchive mitzuarbeiten. Auch P. Petrus Gratzl OCist aus dem niederösterreichischen Stift Zwettl war ab 2008 für einige Zeit in der Arbeitsgemeinschaft engagiert. Erfreulicherweise wuchs das angestellte Fachpersonal in den Archiven der Ordensgemeinschaften. In allen Ordensarchiven, in denen ich befristet bzw. projektorientiert angestellt war – in Herzogenburg, St. Peter und bei den Jesuiten – sowie in einigen anderen, in denen ich Projekte von Kolleginnen und Kollegen betreute und begleitete, die ich dorthin vermittelt habe, wurde nach Projektende ein Dienstposten für einen Archivar oder eine Archivarin geschaffen. Ich bin den Vorsteherinnen und Vorstehern der Ordensgemeinschaften, die ihren Archivarinnen und Archivaren eine Mitarbeit im Vorstand der ARGE Ordensarchive als Teil ihrer Tätigkeit bewilligten, besonders dankbar. Ich erinnere mich gerne und mit Dankbarkeit an die Zusammenarbeit mit Christoph Stöttinger vom Stiftsarchiv Lambach in Oberösterreich, Maximilian Alexander Trofaier vom Archiv des Schottenstifts in Wien und Gerald Hirtner, meinem Nachfolger im Archiv der Erzabtei St. Peter in Salzburg und seit 2016 engagierter Vorsitzender der ARGE Ordensarchive. Er erfüllte die Leitungsaufgabe im Vorstand von Anfang an mit Kompetenz und Gewissenhaftigkeit und ich war beruhigt, die ARGE in guten Händen zu wissen, wofür ich ihm herzlich danke.
Absolventinnen und Absolventen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, die Interesse an der Arbeit in Ordensarchiven hatten oder projektorientiert dort mitarbeiteten, kooptierte ich in den Vorstand. Das waren Susanne Fritsch-Rübsamen (heute im Wiener Stadt-und Landesarchiv), die ihre Doktorarbeit im Stiftsarchiv Klosterneuburg schrieb, sowie Karin Winter (heute im Wiener Stadt- und Landesarchiv), die ihre Abschlussarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Aufarbeitung des Stiftsarchivs Altenburg widmete. Mein lieber Freund und mein Vertreter im Stiftsarchiv Herzogenburg während meiner Anstellung in Salzburg, Günter Katzler (heute im Niederösterreichischen Landesarchiv), war schon seit der Vorbereitungsphase ab dem Jahr 2003 in der ARGE engagiert und bis 2008 im Vorstand. Allen Vorstandsmitgliedern der ARGE Ordensarchive, die mit mir zusammengearbeitet haben – was sicher nicht immer ganz einfach war – danke ich von Herzen für ihren Einsatz im Dienst der Orden.
Das Wendejahr 2009
Im Jahr 2008 kehrte ich aus Salzburg zurück. Ich arbeitete wieder im Stiftsarchiv Herzogenburg sowie am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, welches mich für die Herausgabe einer Edition der Tagebücher des Vorstehers eines Chorherrenstifts aus dem 18. Jahrhundert in einem freien Dienstvertrag anstellte.14 Auch meine geringfügige Anstellung bei der Superiorenkonferenz als Referentin für die Ordensarchive bestand weiter. Die SK bereitete sich gerade auf das Jubiläum ihres 50jährigen Bestehens im Jahr 2009 vor. Ich machte dem Generalsekretär P. Erhard Rauch SDS den Vorschlag, dass wir aus diesem Anlass die Jahrestagung der ARGE Ordensarchive zu einer historischen Fachtagung machen, in der wir auf die reiche Tradition von Ordensleben und auf die Geschichte der Superiorenkonferenz zurückblicken und zu der wir alle Interessierten aus den Orden einladen konnten. Es sollte außerdem die erste gemeinsame Tagung mit unserer deutschen Schwester, der Arbeitsgemeinschaft deutscher Ordensarchive (AGOA), sein, was eine hohe Teilnehmerzahl und internationale Sichtbarkeit garantierte. Meine Stundenanzahl bei der Superiorenkonferenz wurde erhöht, damit ich deren Archiv ordnen und erschließen und ihre Geschichte erforschen konnte. Die Tagungsbeiträge wurden noch im gleichen Jahr in einer eigenen Ausgabe der „Ordensnachrichten“ herausgegeben.15
Mittlerweile war die Arbeit im Dienst der Ordensarchive so vielfältig und weitreichend geworden, dass sie durch die ARGE Ordensarchive allein nicht mehr bewältigbar war. Wann immer ich zu einem Beratungsgespräch in ein Kloster oder Ordenshaus eingeladen wurde, befragte man mich nicht nur zum Archiv, sondern zum gesamten kulturellen Erbe. Die Archivdepots waren mit historischen Buchbeständen, mit religiöser Kunst, Devotionalien und Liturgica aus aufgelösten Niederlassungen, mit alten Möbeln und Geschirr, mit nicht mehr verwendeten Lehrmitteln aus der Unterrichtstätigkeit von Ordensschulen und sogar mit historischen Ausstattungen aus Ordensspitälern randvoll gefüllt. Die Aufgabe der ARGE Ordensarchive war Erfahrungsaustausch und Weiterbildung, aber immer mehr sah ich die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Bewahrung und Erhaltung der Kulturgüter der Orden zu ergreifen. Ordensarchive sind in der Regel nicht grundsätzlich (wenngleich oft in Teilen) vom Wegwerfen bedroht. Dazu ist der Respekt für die Schriften der Stifter und der Gründungsgeneration zu groß und für die jüngeren Unterlagen ihr Nutzen für Rechtssicherheit und Kontinuität in der Verwaltung evident. Mit alten Büchern und Objekten war es jedoch anders. Bei Auflösung eines Ordenshauses gingen leider oft auch erhaltenswerte Stücke, die ordensspezifisch und daher für die Dokumentation von Ordensleben kostbar waren, verloren. Es fehlte an Kriterien für die Bewertung solcher Dinge, an Beratung und praktischer Hilfe. Ich habe darum ein Konzept für die Erweiterung des Referats für die Ordensarchive zu einem „Referat für die Kulturgüter der Orden“ ausgearbeitet.16 Es wurde noch im Jahr 2009 im Vorstand der Superiorenkonferenz bewilligt und meine Anstellung auf 32 Wochenstunden erhöht. Acht Wochenstunden blieb ich weiterhin als Archivarin im Stift Herzogenburg tätig, um in dem Berufsfeld, in dem ich andere beriet, auch selbst aktiv und auf dem Laufenden zu bleiben. Meine Tätigkeit als Referentin für die Kulturgüter der Orden begann im Jänner 2010.
Abb. 1: Helga Penz beim Archivseminar 2011 im Kapuzinerkloster Innsbruck
© Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol
Die ARGE Ordensarchive bekommt Geschwister
Ich bin ausgebildete Archivarin und habe mich stets für das Ansehen dieses Berufsstandes und für Weiterbildung und Fachdiskurs eingesetzt. Bibliothekswesen ist ein eigener Beruf mit sehr anspruchsvoller Ausbildung, die mir fehlte. Für die Arbeitsgemeinschaft der Ordensbibliotheken, die ich 2013 gründete, war mir darum die Zusammenarbeit mit Fachbibliothekarinnen und Fachbibliothekaren besonders wichtig. Hier sollte sich die Kooperation mit der Bibliothek der Katholischen Privatuniversität Linz und ihrem Direktor Ingo Glückler als besonders fruchtbringend herausstellen. Für die Bewertung und Inventarisierung von Kunst- und Kulturobjekten in den Ordensgemeinschaften erhielt ich Unterstützung von den Diözesankonservatoraten. Vor allem die damals in den Diözesen Linz und St. Pölten tätige Kunsthistorikerin Eva Voglhuber war mir eine große Hilfe. Sie war es auch, die mir als Mitarbeiterin für das Referat für die Kulturgüter der Orden Karin Mayer vermittelte, die nicht nur einen reichen Erfahrungsschatz aus ihrer Tätigkeit in der Pfarrinventarisierung, sondern auch viel Einfühlungsvermögen in die Situation von Ordensleuten in ihr neues Aufgabengebiet einbrachte. Sie übernahm 2019 die Leitung des Referats.
In der Superiorenkonferenz gab es bereits sehr lange ein Referat für Denkmalpflege, das Propst Maximilian Fürnsinn während seiner Zeit als Vorsitzender der Superiorenkonferenz (1998–2013) innehatte, und das er danach an Abt Georg Wilfinger OSB (Stift Melk) übergab. Nach dem Ausscheiden von Abt Georg aus dem Vorstand der SK wurde mir dieses Referat übertragen. Ich gründete den Beirat für Denkmalschutzfragen, der sich hauptsächlich mit Baudenkmalen befasste.
Die Bewahrung des mobilen kulturellen Erbes ist in den Ordensgemeinschaften aber nur zweitrangig eine Frage des Denkmalschutzes, dem auch genüge getan wäre, würde dieses Erbe in Museen verwahrt werden. Das kulturelle Erbe ist Zeugnis von Ordensleben: In archivischer Überlieferung wird Ordensentwicklung konkret und anschaulich, im gedruckten Schriftgut sind die Apostolate bezeugt, in Bildnissen der Andacht und Liturgie spiegeln sich Spiritualität und Charismen der Gemeinschaft, in Objekten der Klosterausstattungen wird Ordensalltag einst und jetzt sichtbar. Besonders nach Auflösung von Niederlassungen und Übergabe der Werke an neue Trägerorganisationen stellte sich allerdings die Frage, wie mit diesen nun eigentlich funktionslos gewordenen Dingen umzugehen sei. P. Alois Riedlsperger SJ gab mir damals den Rat, dass man doch zum Beispiel in den Ordensschulen oder in Ordenshäusern einen Gedenkraum einrichten könnte, in dem der Stifterinnen und Stifter und der Geschichte des Ordens gedacht wird.17 Kulturelles Erbe war eine Chance, mit Menschen – Schülerinnen und Schülern, Besuchern und Gästen, Mitarbeitenden und Angestellten – über Ordensleben zu sprechen. Ich begann mich mit Fragen der Vermittlung auseinanderzusetzen und gründete schließlich gemeinsam mit Sr. Ruth Pucher MC von den Missionarinnen Christi, die auf diesem Gebiet bereits sehr erfahren und international vernetzt war, die Arbeitsgemeinschaft Kirchenpädagogik.
Weil das Kulturerbe der Ordensgemeinschaften eine pastorale Chance ist – als Zeichen einer langen Tradition geistlichen Lebens in der Nachfolge Christi –, war es mir stets wichtig, für die Sichtbarkeit dieses Zeichens einzustehen. Je mehr über dieses kulturelle Erbe bekannt wird, desto größer wird auch die Wertschätzung dafür. Ich habe darum auf der Website des Referats für die Kulturgüter das Österreichische Klosterportal aufgebaut, in dem sich Informationen zu allen Archiven, Bibliotheken und Sammlungen der Ordensgemeinschaften finden.18 Die Website des Referats wurde zu einem wichtigen Kommunikationsmittel – mit zahlreichen Behelfen für die praktische Arbeit, Berichten aus den Archiven, Bibliotheken und Sammlungen der Ordensgemeinschaften, mit best-practice-Modellen, mit ausführlichen Tagungsberichten, Veranstaltungshinweisen und vielem mehr. Ich verfasste jährlich 100 bis 150 Beiträge und machte damit das Referat für die Kulturgüter der Orden weit über den kirchlichen Bereich hinaus bekannt. Bei der Betreuung der Website und in der Organisation der Veranstaltungen des Referats unterstützte mich dankenswerterweise 2012–2013 Severin Matiasovits, Absolvent des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (heute im Archiv der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien), der bei der SK teilzeitangestellt wurde. Für ausführlichere und auch zitierbare Beiträge über Kulturgüter und Geschichte der Ordensgemeinschaften gründete ich 2016 die „Mitteilungen des Referats für die Kulturgüter der Orden“ als Online-Zeitschrift.19 Das Redaktionsteam konnte ich aus dem Vorstand der ARGE Ordensarchive rekrutieren, ohne den diese Zeitschrift gar nicht möglich gewesen wäre. Einer der ersten Beiträge war mein Festvortrag anlässlich der Jubiläumsfeiern zu 50 Jahre Vereinigung der Frauenorden Österreichs.20
Die Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive war mit der Gründung des Referats für die Kulturgüter der Orden zu einer Stimme in einem vielstimmigen Konzert geworden. Sie war die erste Stimme und auch die mir als Archivarin besonders vertraute. Sie klang in diesen letzten zwanzig Jahren hell und klar und war tonangebend. Ich bin sehr dankbar, dass ich den Auftakt dazu geben durfte.
Abb. 2: Helga Penz mit Abt Christian Haidinger OSB, damals Vorsitzender der Superiorenkonferenz, beim Kulturtag 2017
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Helga Penz, geboren 1962 in Wien, 1981–1989 Diözesansekretärin der Katholischen Jungschar (Katholische Aktion der Erzdiözese Wien), anschließend Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Museumskunde an der Universität Wien (Abschluss 1994), Studium der Historischen Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft am Institut für Österreichische Geschichtsforschung (Abschluss 1998), Lehrtätigkeit an der Universität Wien. 1999–2019 als Archivarin in verschiedenen österreichischen Ordensgemeinschaften angestellt, daneben Doktorratsstudium (Abschluss 2004). 2003–2019 teilzeitangestellt bei der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, 2004 Gründung der Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive, 2010 Gründung des Referats für die Kulturgüter der Orden. 2019–2022 Forschungsprojekt über die Geschichte der Wiener Barmherzigen Schwestern, zahlreiche Publikationen zur Geschichte und zum Kulturerbe der österreichischen Klöster und Orden.
Kontakt: helga.penz@yahoo.com
1 Gerhard WINNER, Das Diözesanarchiv Sankt Pölten: Behörden und Institutionen, ihre Geschichte und Bestände (St. Pölten 1962).
2 https://monasterium.net [Zugriff: 15.08.2023].
3 Helga PENZ, Kloster-Archiv-Geschichte. Schriftlichkeit und Überlieferung im Augustiner-Chorherrenstift Herzogenburg in Niederösterreich 1300-1800 (Diss. phil., Univ. Wien 2004), online unter: https://utheses.univie.ac.at/detail/34105 [Zugriff: 15.08.2023].
4 Für eine detaillierte Auswertung des Fragebogens siehe Helga PENZ, Die Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs, in: Scrinium 58 (2004) 130–138.
5 Helga PENZ, Vortrag beim „Tag der Österreichischen Ordensarchive“ am 30. Mai 2003 im Kardinal König Haus in Wien, unveröffentlichte Tonaufzeichnung.
6 Stephan HAERING OSB, Ordensarchiv und Kirchenrecht, in: Ordensnachrichten 5/6 (2009) 106–125.
7 https://www.ordensgemeinschaften.at/kultur/aktuelles/1766-aktualisierte-musterarchiv-und-benuetzungsordnung [Zugriff: 15.08.2023]; vgl. Ordnung für die kirchlichen Archive Österreichs (KAO-Ö) von 2021, online unter https://www.erzdioezese-wien.at/pages/inst/14428073/service/ordnungen/article/100308.html [Zugriff: 25.09.2023].
8 Siehe die Qualifizierungsangebote auf https://www.katholische-archive.de/ [Zugriff: 15.08.2023].
9 https://www.voea.at/index.php/arbeitsgruppen/#ag2 [Zugriff: 15.08.2023].
10 Helga PENZ, Erinnerungen an zehn Jahre Grundkurs für Archivarinnen und Archivare, in: Scrinium 71 (2017) 124–130.
11 Michael HOCHEDLINGER, Österreichische Archivgeschichte. Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Papierzeitalters (Wien–München 2016) 277f.
12 https://www.voea.at/index.php/fachgruppen/#fg1 [Zugriff: 15.08.2023].
13 Der Vortrag liegt in Druck vor: Helga PENZ, Nil memorabile, sed tamen asservandum. Merkwürdigkeit und Überlieferungsbildung: Das Beispiel der Archive katholischer Ordensgemeinschaften, in: Die Zukunft der Vergangenheit in der Gegenwart: Archive als Leuchtfeuer im Informationszeitalter, hg. von Elisabeth SCHÖGGL-ERNST–Thomas STOCKINGER–Jakob WÜHRER (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 71, Wien 2019) 101–111.
14 Helga PENZ, Die Kalendernotizen des Hieronymus Übelbacher, Propst von Dürnstein 1710–1740. Edition und Kommentare, hg. von Brigitte MERTA und Andrea SOMMERLECHNER (Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 11, Wien–München 2013).
15 Die Orden im Wandel. 50 Jahre Superiorenkonferenz (Ordensnachrichten 5/6, 2009).
16 Seit der Gründung der Österreichischen Ordenskonferenz Ende 2019 „Bereich Kultur und Dokumentation“, siehe https://www.ordensgemeinschaften.at/kultur [Zugriff: 25.09.2023].
17 Siehe den Beitrag von Regina AHLGRIMM-SIESS „Ein Österreichweites Pilotprojekt. Der Ordensgründer:innenraum im Schulalltag“ in diesem Band auf S. 86–92.
18 Klosterportal [Namensänderung 2023 in Ordens-Wiki], online unter: https://www.ordensgemeinschaften.at/portal/ordensgemeinschaften/ordenswiki [Zugriff: 25.09.2023].
19 Seit 2021 „Mitteilungen zu den Kulturgütern der Orden“, siehe https://www.ordensgemeinschaften.at/kultur/miko [Zugriff: 25.09.2023].
20 Helga Penz, „Wir müssen in Ruhe über die brennenden Fragen sprechen können.“ Die Anfänge der Vereinigung der Frauenorden Österreichs: Historische Impulse für ein Miteinander, in: Mitteilungen des Referats für die Kulturgüter der Orden 1 (2016) 54–66, online unter: https://www.ordensgemeinschaften.at/kultur/miko/miko1 [Zugriff: 15.08.2023].